Fremdes Land by Burke James Lee

Fremdes Land by Burke James Lee

Autor:Burke, James Lee [Burke, James Lee]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: d-Heyne HC
veröffentlicht: 2016-03-22T23:00:00+00:00


Kapitel 18

Unsere Einfahrt war nicht gepflastert. Es mag lächerlich anmuten, ausgerechnet diese Beobachtung über das Haus in den Heights anzustellen, das wir im Jahr 1947 bewohnten. Doch es war eines der vielen Details, die mir an diesem Spätnachmittag ins Auge fielen, als ich den Wagen neben unserem Wintergarten parkte und überlegte, wie ich Rosita mit der Filmrolle konfrontieren sollte, die in ihrer Blechdose auf dem Beifahrersitz lag. Das Gras war blassgrün, in den Beeten blühten die Chrysanthemen, und unsere Einfahrt war kaum mehr als ein Muster aus weißen Steinen, wie eine altertümliche Straße, die aus der nackten Erde hervortrat. Über die Wiese verstreut lagen Pekannüsse in ihren Schalen.

Auch ein weiteres Detail unseres Viertels hatte ich bisher kaum gewürdigt – zwischen den Häusern befanden sich keine Zäune. Wir lebten in einem Zeitalter des gegenseitigen Vertrauens, in dem junge Burschen die Abendzeitung vom Fahrrad aus auf die Veranda segeln ließen und Radiogeräte auf der Fensterbank stets um 18.30 Uhr die Ouvertüre von Wilhelm Tell schmetterten, von Montag bis Freitag, landauf, landab. Ich wollte nicht ins Haus gehen. Ich wollte meiner Frau nicht wehtun. Ich wollte nicht erfahren müssen, dass sie nicht der aufrichtige Mensch war, den ich immer in ihr gesehen hatte.

Rosita war in der Küche und machte Sandwiches, trennte die Brotkrusten auf einem Schneidebrett ab. Nachdem sie einen kurzen Blick auf mich und die Filmdose in meiner rechten Hand geworfen hatte, setzte sie ihre Arbeit fort. »Wo warst du so lange?«

»Irgendwer hat mir eine Filmrolle in den Wagen geworfen«, sagte ich. »Deshalb bin ich zum Fotografiegeschäft eines Freundes gefahren und habe mir den Film angesehen.«

»Und dieser Freund hat kein Telefon?«

»Ich hatte ihn gebeten, das Zimmer zu verlassen, während der Film lief.«

»Müssen ja sehr interessante Aufnahmen gewesen sein.«

Ich legte die Dose auf das Abtropfbrett. »Auf dem Deckel ist ein Hakenkreuz.«

»Ich will das Ding nicht in meiner Nähe haben.«

»Hast du so eine Filmdose schon mal gesehen?«

»Nein, nicht soweit ich mich erinnern kann.«

»Du kommst in dem Film vor, Rosita.«

»Wie schön.« Die Messerklinge fuhr an den Rändern der Brotscheiben entlang. »Und jetzt schaff mir das Ding bitte aus den Augen.«

»Du hattest keinen Grund, deine Vergangenheit vor mir zu verbergen.«

»Kein Mensch hat eine Vorstellung davon, was in den Lagern geschehen ist«, sagte sie. »Du könntest nicht mal annähernd begreifen, was sie uns angetan haben und was wir einander angetan haben.«

»Warum hast du mir nie von dem Film erzählt?«

»Weil er irrelevant ist im Vergleich zu anderen Dingen, die damals passiert sind.«

»Du hast mir erzählt, du hättest einem SS-Standartenführer ins Gesicht gespuckt, als er dich zur Geliebten nehmen wollte.«

»Ja, weil ich genau das getan habe.«

Darauf erwiderte ich die schlimmsten Worte, die mir je über die Lippen gekommen sind. »Auf dem Film tust du etwas völlig anderes.«

Rosita legte das Schlachtermesser beiseite und wich einen Schritt zurück, als müsste sie sich von Gedanken losmachen, die sie sich nie zugetraut hatte. »Soll ich dir verraten, wie der Standartenführer hieß?«

»Nein.«

»Wieso nicht?«

»Sollte ich herausfinden, wie er heißt, und sollte er noch am Leben sein, werde ich ihn aufspüren, wo auch immer er ist, und ihn töten.



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