Flegeljahre by Jean Paul

Flegeljahre by Jean Paul

Autor:Jean Paul [Paul, Jean]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Zeno.org
veröffentlicht: 2015-06-28T22:00:00+00:00


Nr. 37. Eine auserlesene Kabinettsdrüse

Neues Testament

Der September war so schön, der die schönste Rose, Wina, versetzt hatte, daß dem Notar Rock, Stube und Stadt zu enge wurde; er wollte ein wenig in die weite Welt hinaus. Er reisete unsäglich gern, besonders in unbekannte Gegenden; weil er unterwegs glaubte, es sei möglich, daß ihm eines der romantischsten lieblichsten Abenteuer zuflattere, von dem er noch je gelesen. Daher war das erste, was er in einer neuen Stadt machte, kleine Stundenreisen um sie herum. Hatt' er aber lange da gewohnt, so lief er zuzeiten in eine neue Gasse ein und machte sich mit besonderem Vergnügen glaublich, er sei eben auf Reisen in einer ganz fremden Stadt, aus der er noch dazu die Freude hatte, in seiner anzulangen, sobald er nur um die Ecke umbog. Ja sah er nicht träumend dem Laufe der Chausseen nach, die wie Flüsse die Landschaft schmücken, weil sie, wie diese, ohne Wohin und Woher unendlich ziehen und das Leben spiegeln? – Und dacht' er jetzt nicht, auf einer davon geht das stille Mädchen dahin und sieht den blauen Himmel und den Vater an und denkt an vieles?

Nur war er lange im Zweifel und Skrupel, obs nicht Sünde sei, das wenige von den Eltern und Instrumenten gewonnene Geld bloß vergnügt zu verreisen, zumal da der Bruder Vult nach seiner Gewohnheit wieder anfing, nicht viel zu haben. Er las alle moralischen Regeln des reinen Satzes genau durch, um zu erfahren, ob er diese süß tönende Ausweichung oder diese Quinten-Fortschreitung von Lust zu Lust in sein Kirchenstück aufnehmen dürfe; und noch war er unentschieden, als Flitte alles dadurch entschied, daß er den Stadttürmer, bei welchem er wohnte, zu ihm schickte und sagen ließ, er liege auf dem Sterbebette und wünsche noch diesen Abend sein Testament durch einen Notar zu machen.

Wenn die Welt hinter dem Notar den Turm besteigen soll, wo der Elsasser sich tödlich gebettet, so müssen ihr vorher, ohne[827] lange darüber zu reden, die notwendigsten Treppen hingestellt werden, die zu seinem Lager bringen; alles war so:

Das Glück ist ein so schlechter Freund als dessen Günstlinge die Natur gibt den Weisen auf die Lebensreise zu wenig Diätengelder mit – Flitte war ein solcher Weiser, und wiewohl er längst die Regel kannte, daß das Ende des Geldes wie das eines Parks geschickt verborgen werden müsse: so fehlt' ihm doch der allgemeine nervus rerum gerendarum zu dieser List.

In Städten, wo Flitte nur durchflog, vermocht' er leichter etwas, und wär' es auch nur dadurch gewesen, daß er sich als seinen eigenen reichen Bedienten ankleidete und sich selber anmeldete als seinen Herrn und zum zweitenmal ohne den Kerl wiederkam. In Haßlau tat es ihm einen Monat lang gute Dienste, daß er auf seine Kosten einen Teich abziehen und darin nach einem kostbaren Tafelsteine stochern und wühlen ließ, den er wollte hinein verloren haben. Aber der Hunger, der ebensowohl als Philipp II., zumal unter des letztern Regierung, der Mittagsteufel heißen sollte, und noch mehr der Kleiderteufel und jeder Tag hatten ihm allmählich ein anständiges Gefolge von Lehnlakaien



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