Feuer unter den Füßen by Hey Richard
Autor:Hey, Richard [Hey, Richard]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Sie ging noch am Labor vorbei, holte einen Umschlag und einige Papiere ab, die sie im Paternoster durchsah. Sie hatte die Ergebnisse erwartet. Das Geschoß stammte aus Löberts Gewehr, der Abdruck der Schrift auf Löberts Notizblock war identisch mit der Schrift auf dem Zettel, den der Fotograf gefunden hatte. Im Vorzimmer des Leiters der Kriminalpolizei schob sie der dicken grauhaarigen Sekretärin, die in Jeans und Blumenmusterhemd zwischen Akten und Blumentöpfen trotz der Mittagshitze mit großer Geschwindigkeit tippte, die Visitenkarte von Helga Schumann und den Zettel mit der Adresse Helgas, den sie von Delbrück bekommen hatte, neben die Schreibmaschine.
«Bitte, Kaiserin, diese Dame scheint zwei Wohnungen zu haben. Rufst du mal beide Nummern an, während ich zum Chef—»
Sie war schon an der Tür zum Büro des Kriminaldirektors, drehte sich um.
«Oder ist noch niemand da?»
Die Sekretärin blickte durch kompakte Brillengläser milde auf Marianne, während sie zum Telefonhörer griff. «Alle sind da, Kindchen», sagte sie.
Als Marianne Buchmüller im ersten Kommissariat angefangen hatte, war es in den folgenden anderthalb Jahren für viele ihrer männlichen Kollegen nicht einfach gewesen, sich an den selbstverständlichen Umgang mit einer Frau als Kollegin zu gewöhnen.
Einige hatten sich auf Sitzungen besonders beflissen gezeigt, sie begrüßt, indem sie aufsprangen oder sich zumindest im Sitzen verbeugten, als versuchten sie, Gallenkoliken zu verbergen. Andere waren besonders ruppig. Einige raspelten altväterliches Süßholz, kramten hie und da ein erotisches Scherzchen aus, vermieden aber, bei der Diskussion von Sittlichkeitsdelikten etwa, die sachliche Erwähnung von primären Geschlechtsmerkmalen. Andere nutzten jede Gelegenheit, um in ihrer Gegenwart derbsten Polizeijargon anzubringen. Sie hatte das alles mit Gleichmut hingenommen. Sie verbarg nicht, daß sie einen gutgewachsenen, durchtrainierten Körper hatte, machte aber gleichzeitig deutlich, daß sie einem noch so gutgewachsenen, durchtrainierten Kollegenkörper nicht näherzukommen wünschte. Abgesehen davon, daß die meisten ihrer Kollegen die Jahre, in denen sie vielleicht ansehnlich gewesen waren, schon hinter sich hatten. Mit den andern und wie die andern machte sie Kurse in Selbstverteidigung, lief sie fürs Polizeisportabzeichen durch den Wald, hing an Reck und Barren, soff und blödelte wie sie. Aber wie und mit wem sie ihre freie Zeit verbrachte, wußte niemand.
Im Arbeitszimmer des Kriminaldirektors war vor Rauchschwaden kaum noch die Decke zu sehn. Zwischen den Rauchschwaden saß ein halbes Dutzend paffender Kriminalbeamter in Hemdsärmeln, auf Sesseln, Stühlen, Heizungsverkleidungen. Mewes hockte an der Wand, mit grauem Gesicht und entzündeten Augen, nuckelte am unvermeidlichen Mundstück, während Marianne sich einen Platz suchte.
Der Kriminaldirektor war ein Mann um die sechzig mit dem Gesicht eines Dorfschullehrers, der sonntags in der Kirche Orgel spielt. Er rauchte eine dünne schwarze Zigarette und sprach stets leise.
«Sie kommen im richtigen Moment, Frau Buchmüller», sagte er. «Ich habe den Herren gerade erklärt, daß ich es als meine Hauptaufgabe ansehe, meine Beamten vor dem Innenminister zu schützen, damit sie in Ruhe arbeiten können. Nun will aber der Innenminister gelegentlich wissen, was denn die Beamten so tun, man kann ihm das nicht übelnehmen. Vor allem, wenn sein persönlicher Referent Nachbar von Herrn Löbert ist. Der Referent hat sich nämlich darüber gewundert, daß spezialausgebildete Beamte vor Löberts Haus Wache schieben müssen.
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