Felipolis by Pirincci Akif

Felipolis by Pirincci Akif

Autor:Pirincci, Akif
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Diana Verlag
veröffentlicht: 2011-12-24T00:00:00+00:00


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Nein, ich war kein Heuchler und auch kein Lügner. Ich hatte nach bestem Wissen und Gewissen gesprochen, als ich Junior und Blaubart geraten oder, besser gesagt, befohlen hatte, niemand dürfe Sancta zu Hilfe eilen, solange bei Kantsky mörderische Bestien ihr Unwesen trieben. Niemand – außer natürlich mir!

Was hatten die beiden Blödmänner denn sonst gedacht? Dass ich meine schnuckelige Wärmflasche im Stich lassen würde? Dass ich mein Lebensprinzip der absoluten Treue zu meinen Lieben angesichts von ein paar Monsterkrallen über Bord schmeißen würde? Dass ich aus lauter Furcht vor einem übermächtigen Feind mich selbst verraten und mir dann wegen der tonnenschweren Schuld am Ende selbst die Kehle aufschlitzen würde? No way!, wie Archie, der Goethe des Denglisch, gesagt hätte. Ich wollte nur nicht schon wieder der Versuchung des Delegierens erliegen und meinen hübschen Sohn und den guten und vor allem alten Blaubart mit etwas beauftragen, wofür man einige Kenntnis brauchte. Das hätte ja sonst zur Gewohnheit werden können.

Zugegeben, es gab in Bezug auf mein weiteres Vorgehen ein kleines Problem. Das Problem war meine gesundheitliche Verfassung. Um diese stand es momentan etwa so wie um ein mit zweihundert Stundenkilometern gegen einen Baum gekracktes Auto. Allerdings fühlte ich mich sekündlich besser. Jedenfalls bildete ich mir das ein. Dazu hatte auch wohl der 24-Stunden-Komaschlaf beigetragen, noch mehr aber die anvisierte Rettung meiner Droge namens Sancta (von der fabrikneuen Droge namens Domino ganz zu schweigen).

Als die beiden ahnungslosen Knallköpfe endlich die Terrasse geräumt hatten, eilte ich schnell zu der links gelegenen Feuertreppe und tapste auf Pfotenspitzen die Stufen hinunter. Die ganze verdammte Bande von Höllenqualen, die sich inzwischen schön ausgeruht hatten, kehrte nun mit Vehemenz in meine Eingeweide zurück. Allerdings nicht mehr mit der Intensität, welche mir bei der Flucht vor Clint & Co so zugesetzt hatte. Die unmittelbare Bedrohung hatte vielleicht mehr Schmerzknospen in mir geöffnet als unter gewöhnlichen Umständen.

Um Kräfte zu sparen, bewegte ich mich draußen nur auf den Gartenmauern vorwärts, die mir als bequeme und wohlvertraute Gleise dienten. Aber natürlich wusste ich, dass ich sie bald verlassen und mich in die Einöde am Ende unseres Viertels würde begeben müssen. Es war eine herrliche Nacht. Der Mond hatte sich in einem schlimmen Anfall von Gefallsucht sein prunkvollstes Gewand übergeworfen und strahlte in einem quecksilbrigen, pulsierenden Glanz. Im Geäst der im lauen Sommerwind rauschenden Bäume wiegten sich nistende Vogelfamilien im Schlaf. Ein beständiges Sirren von Insekten bildete das Meeresrauschen in diesem halbdunklen Eden, das unter anderen Umständen tatsächlich hätte ein Paradies sein können. Davon zeugte auch das Dämmerlicht in vereinzelten Fenstern an den Rückfassaden der Häuser, hinter denen sich vielleicht so manch eine heiße Liebesnacht abspielte.

Doch vorbei, weiter. Ich sprang von der letzten Gartenmauer in das steppenartige Terrain, in dem sich ausgedörrte Grasflächen mit verkrusteten Lehmbuckeln abwechselten. Wild wuchernde Sträucher und kleine Ansammlungen von deformiert gewachsenen Bäumen kamen des Weges. Hin und wieder auch eine schrullige Einsiedlermaus, deren Bekanntschaft zu machen mir wegen Zeitmangel sowie fehlender körperlicher Fitness momentan nicht opportun erschien. Ich fragte mich, ob Junior und Blaubart inzwischen mein Verschwinden registriert hatten. Zu gern hätte ich ihre blöden Gesichter gesehen.



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