Eukalyptusmond (German Edition) by Christine Lehmann

Eukalyptusmond (German Edition) by Christine Lehmann

Autor:Christine Lehmann [Lehmann, Christine]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783522651752
Herausgeber: Planet Girl
veröffentlicht: 2014-10-18T04:00:00+00:00


– 19 –

Bran flog eine Linkskurve. Schnell wurde der Flugplatz kleiner, blieben Stadt und Straßen zurück. Zum ersten Mal sah ich von der Gegend, in der ich lebte, mehr als den tiefen Horizont und einen riesigen Himmel mit ein paar Wolken. Eine endlose Fläche gelber und roter Erde, mit blaugrauen Spinifexbüschen und hier und dort einem Baum, dehnte sich unter uns. Wir überflogen die gelblichen Bänder des Thomson-Rivers mit seinem Netz von Seitenarmen und grünen Ufern.

»Was du siehst, sind die westlichsten Ausläufer des Great Dividing Range«, erläuterte Bran. Wir redeten über Kopfhörer, denn ohne hätte das Getöse des Motors alles übertönt. »Das ist die Gebirgskette, die von hier bis in den Süden des Kontinents hinabzieht. Eine Wasserscheide. Im Osten, an den Küsten, regnen sich die Wolken ab, dahinter, von hier bis zur Westküste Australiens, ist es trocken.«

Daher also der Name: Großes Scheidegebirge.

»Auf unserer Seite fließen die Flüsse gen Westen, so wie der Thomson-River, auf der anderen gen Osten.«

Bald darauf tauchten die wie mit dem Lineal gezogenen Linien einer kleinen Ortschaft auf. Das war Muttaburra, ein Nest von hundert Einwohnern. Aber es hatte eine Landebahn. Natürlich.

»Hier hat man in den Sechzigerjahren die Knochen eines Dinosauriers gefunden«, erklärte Bran, »den Muttaburrasaurier. Er sieht ein bisschen wie ein Känguru aus, ist aber sieben Meter lang. Er ist berühmt und steht dort unten in einem Museum.«

Dann folgte Savanne. Schnurgerade Fahrspuren führten hier und dort zu einem einzigen Haus, das inmitten von Nichts ein paar grüne Bäume um sich scharte. Ein Wasserbecken oder ein paar Windungen eines Flusses spiegelten für einige Sekunden die Sonne in unsere Augen.

»Der Wahnsinn!«

Bran lachte und schwenkte über eine Asphaltstraße, der wir Richtung Nordwesten folgten. »Das ist der Highway A2. Er führt bis nach Darwin ganz im Nordwesten.« Er schaute zu mir herüber. »Na, bist du bereit? Dann ran an den Yoke.« Er deutete auf mein Steuerhorn.

»Ich? Aber …«

Nein, jetzt keine falsche Schüchternheit, Lena. Ich umfasste die Holme des Steuerhorns.

Bran drehte sich zu unseren Passagieren um und warnte sie über Bordfunk, den sie in ihren Kopfhörern hören konnten: »Jetzt kann es etwas wacklig werden.« Dann ließ er das Steuer los.

Hui! Das Verteufelte war, ich spürte nichts, aber jede kleine Zuckung meiner Hände übertrug sich aufs Flugzeug. Es hüpfte und schwankte. Brans Steuerhorn machte meine hektischen Bewegungen mit, aber er ließ die Hände auf den Knien liegen.

»Guck auf den Horizont«, sagte er. »Da wollen wir hin. Und der Highway bleibt immer links unter uns. Und greif mal bloß mit einer Hand.«

Denn Kraft brauchte man nicht, wie mir schnell klar wurde. Wenn sie in Filmen immer zeigten, wie ein Pilot mit beiden Händen eine Maschine durch Turbulenzen steuerte, als müsse er übermenschliche Kräfte aufwenden, war das falsch, eine Lüge. Winzige Impulse reichten, um das Flugzeug hoch, runter oder links oder rechts zu steuern. Im Grunde reichte es, dass ich nach links schaute, und schon kippte der Horizont.

»Ist was anderes als Fahren, nicht wahr?«, bemerkte Bran. »Es kommt nämlich eine dritte Dimension hinzu. Am Anfang ist es kaum möglich, eine Kurve zu fliegen, ohne dabei gleichzeitig zu steigen oder zu sinken.



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