Erast Fandorin 05 - Russisches Poker by Akunin Boris

Erast Fandorin 05 - Russisches Poker by Akunin Boris

Autor:Akunin, Boris [Akunin, Boris]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-01-09T16:00:00+00:00


Platonische Liebe

Ob er womöglich ein Scharlatan war, mußte als erstes geprüft werden. Das hätte noch gefehlt, auf einen Kollegen zu treffen, der auch zu einem Gastspiel gekommen war, um fette Moskauer Gänse zu rupfen. Der indische Radscha, der Smaragd »Schah Sultan« – dieses ganze Brimborium wirkte ein wenig operettenhaft.

Er hatte es geprüft. Nach einem Gauner sah Seine Bengalische Hoheit nicht aus. Erstens war aus der Nähe sofort zu erkennen, daß er von königlichem Geblüt war: die Haltung, die Manieren, die träge Wohlgeneigtheit im Blick. Zweitens hatte Achmed Chan mit dem berühmten Indologen »Sir Marvell«, der zum Glück gerade in Moskau weilte, ein so hochgeistiges Gespräch über die Innenpolitik und die religiösen Glaubensrichtungen des Indischen Imperiums angeknüpft, daß Momus es mit der Angst zu tun bekam, er könne sich verraten. Die Antwort auf die höfliche Frage des Prinzen, was der geehrte Professor von der Sitte der Sati4 halte und ob sie dem wahren Geist des Hinduismus gerecht werde, mußte er schuldig bleiben, er lenkte das Thema auf die Gesundheit der Queen Victoria und täuschte einen plötzlichen Schnupfenanfall mit Niesen vor, um retirieren zu können.

Nun, und das Wichtigste, der Smaragd hatte so überzeugend und appetitlich gestrahlt, daß jegliche Zweifel schwanden. Ach, den herrlichen grünen Klunker vom Turban des edlen Achmed Chan entfernen, ihn in acht gewichtige Einzelsteine zersägen und jeden für so um die fünfundzwanzigtausend Rubel verscherbeln – das wäre ein Geschäft!

Mimi hatte derweil den Sekretär Tarik Bei bearbeitet. Der sei, berichtete sie, zwar ein Eunuch, habe ihr aber fleißig ins Dekolleté gelinst und sei dem weiblichen Geschlecht gegenüber alles andere als gleichgültig. Ihr konnte Momus das glauben, sie kannte sich aus. Aber wer wußte schon, wie die Eunuchen so waren. Vielleicht gingen die natürlichen Wünsche bei denen nicht verloren, selbst wenn ihnen die Möglichkeiten genommen wurden?

Der Plan für die bevorstehende Operation, die Momus für sich schon »Kampf um den Smaragd« getauft hatte, ergab sich ganz von selbst.

Den Turban hatte der Radscha ständig auf dem Kopf. Aber zur Nacht würde er ihn doch wohl ablegen?

Wo schlief der Radscha? In der Villa auf den Sperlingsbergen. Dort mußte Momus also hin.

Die Villa des Generalgouverneurs war für Ehrengäste vorgesehen. Von dort oben hatte man einen herrlichen Blick auf Moskau, und die Gaffer setzten einem weniger zu. Daß das Haus abseits lag, war auch gut. Es wurde bewacht von einem Gendarmerieposten, und das war schlecht. Nachts über Zäune zu klettern und dann unter dem Schrillen von Polizeipfeifen zu verschwinden, das war nicht sein Stil.

Ach, wenn der Sekretär kein Eunuch wäre, dann wäre alles kein Problem. Die verliebte georgische Fürstin, dieses Tollköpfchen, würde Tarik Bei einen heimlichen nächtlichen Besuch abstatten, und wäre sie erst einmal im Haus, so fände sie schon den Weg ins Schlafzimmer des Radschas und sähe nach, ob der Smaragd es nicht satt hatte, am Turban zu kleben. Alles Weitere war eine rein technische Frage, und diese Technik beherrschte Mimi bestens.

Aber dieser Gedankengang, wenngleich einstweilen rein spekulativ, löste bei Momus ein Gefühl aus, als kratzte eine schwarze Katze mit kralliger Pfote an seinem Herzen.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.