Envy-[Neid] by Sandra Brown
Autor:Sandra Brown
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2012-01-23T23:00:00+00:00
Kapitel 22
»Das ist mein Lieblingszimmer.« Maris genoss sichtlich den vertrauten Komfort im häuslichen Arbeitszimmer ihres Vaters, wo sie ihre Cocktails tranken.
Noah hatte sich in letzter Minute gezwungen gesehen, wegen einer umstrittenen Klausel den Leiter der Lizenzabteilung zu Rate zu ziehen. Daher hatte er sie beschworen, schon mal ohne ihn zu Daniel vorzufahren, wogegen sie nicht einmal etwas einzuwenden hatte. Seit ihrer Rückkehr aus Georgia hatte sie mit ihrem Vater noch keine Minute allein verbracht.
»Ich habe selbst eine Schwäche für diesen Raum«, sagte Daniel. »Ich verbringe hier viel Zeit, aber er gefällt mir noch mehr, wenn du dabei bist.«
Sie lachte. »So hast du das nicht immer empfunden. Ich kann mich noch gut an Zeiten erinnern, in denen ich in der Hoffnung hereinkam, dich von der Arbeit wegzulotsen, die du mit heimgebracht hast. Ich habe dich genervt.« Sie lächelten über diese gemeinsamen Erinnerungen, aber dann wurde Daniels Miene ernst.
»Maris, ich wünschte, ich könnte diese Zeiten noch einmal erleben. Dann würde ich mehr Zeit mit dir verbringen. Beim Eislaufen im Park oder beim Monopoly. Bedauerlicherweise habe ich diese Gelegenheiten verstreichen lassen.«
»Pa, mir ist nicht viel abgegangen. Eigentlich überhaupt nichts. Und schon gar nicht du.«
»Du bist viel zu großmütig. Trotzdem danke ich dir dafür.«
Maris spürte heute Abend einen melancholischen Zug an ihm. Obwohl er sich über ihren Anblick sehr gefreut hatte, klang seine scherzhafte Laune nicht ganz echt. Sein komisches Gezanke mit Maxine wirkte gezwungen. Sein Lächeln war eine gekonnte Imitation des echten Gefühls, wirkte aber auffallend angestrengt.
»Pa, fühlst du dich nicht wohl? Stimmt etwas nicht?«
Er verwies auf das Begräbnis von Howard Bancroft. »Es findet morgen Vormittag statt.«
Sie nickte mitfühlend. »Howard war nicht nur dein Chefjustitiar, er war auch ein guter Freund und Vertrauter.«
»Ich werde ihn vermissen. In der ganzen Stadt wird man ihn vermissen. Ich kann einfach nicht begreifen, was ihn zu einer derart schrecklichen Tat getrieben hat.«
Natürlich trauerte er um seinen Verlust. Und doch war Maris nicht ganz überzeugt, dass einzig Bancrofts Selbstmord auf Daniels Seele lastete. Sie vermutete, seine Stimmung sei eine Reaktion auf ihre eigene. Sie war ja heute Abend auch nicht unbedingt sprühender Laune. Ihre gedämpfte Stimmung ließ sich auf zwei Dinge zurückführen. Nun ja, eigentlich auf zwei Menschen. Noah und Parker.
Noah hatte sein Treffen mit WorldView plausibel erklärt. Daniel hatte das sogar bestätigt. Trotzdem verdross es sie, dass man sie über einen für die Zukunft von Matherly Press derart lebenswichtigen Schritt im Unklaren gelassen hatte. So beschäftigt war sie nie gewesen.
Wäre sie jemand anderes gewesen, hätte man sie auf Grund ihrer hochrangigen Position in der Firma zwangsläufig in Kenntnis setzen müssen. Ihre persönlichen Beziehungen hätten dabei keine Rolle spielen dürfen. Als Geschäftsführerin hatte sie ein Recht auf Information, wenn Blume in ihrem Revier wilderte. Als Ehefrau stand es ihr zu, dass ihr Mann sie respektierte.
Und genau das hatte sie wirklich erbost: dass Noah ihre Wut so nonchalant abgetan hatte.
Wie ein Kind hatte er sie behandelt, das man einfach mit einem Lutscher beruhigen kann, oder wie ein Haustier, das einem wieder vertraut, wenn man es nur hinter den Ohren krault.
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