Elfmeter Ins Herz by Talia Wayne

Autor:Talia Wayne [Wayne, Talia]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783847675815
Google: eVwzAwAAQBAJ
Herausgeber: Droemer Knaur
veröffentlicht: 2014-03-28T23:00:00+00:00

56. Minute

Mein letzter Tag in Klagenfurt bricht an: Nach einer ungezwungenen Abschiedsfeier im Stadion und einem umfangreichen Lob der Offiziellen bekommen wir für unseren Einsatz eine echte Medaille des Turniers und eine Urkunde verliehen. Ich bin sehr gerührt und überaus stolz sie tragen zu dürfen, denn wirklich viel habe ich ja genaugenommen gar nicht geleistet. Die EM hat mir viel mehr gegeben als ich ihr und ich werde meine besondere Zeit hier niemals vergessen. Ein letztes Mal noch gehe ich alleine über das jetzt leere Spielfeld, streiche über das Grün und stelle mich zwischen die Pfosten. Das Sonnenlicht wird vom Gold der Medaille reflektiert und auf die Tribünen geworfen, so als bleibe das Feuer fürs Spiel in den Herzen der Fans für immer zurück. Mein Blick wandert über die Ersatzbank und die leeren Ränge. Mark lächelt mir immer noch liebevoll zu während er sich die Schuhe schnürt, so als müsste ich nur wenige Meter überbrücken um zu ihm zu gelangen. In Wahrheit sitze ich allein im Mittelkreis und denke über den Moment nach, der alles und mich für immer verändert hat. Hatte ich mir doch von dieser Auszeit Antworten für mein weiteres Leben erhofft, so habe ich sie trotz allem nicht erhalten, jedoch weiß ich jetzt, dass ich nicht hier war um diese zu finden sondern um den Menschen zu treffen, der in so kurzer Zeit zu meinem Mittelpunkt geworden ist. Die Erkenntnis, dass ich Mark liebe, ist Antwort auf all meine Fragen genug. Am frühen Nachmittag ist meine Stimmung auf dem Nullpunkt angelangt und überhaupt habe ich nur wenig Lust heute Abend in den Club zu gehen um zu feiern. Ist es wegen dem Ende meiner Zeit als Volunteer oder wegen Mark? Wahrscheinlich leistet beides seinen Teil an meiner trübsinnigen Verfassung. Die meisten verabreden sich noch zum Schwimmen im See oder zu einer letzten Stadtrundfahrt. Von beiden Aktivitäten halte ich mich heute allerdings lieber fern. Beate, die die letzten Wochen damit verbracht hat, VIP-Gäste über das Stadiongelände zu chauffieren, die aber sonst als Masseurin bei den alljährlichen IRONMAN AUSTRIA Wettkämpfen arbeitet und in der Stadt wohnt, hat mir angeboten später zusammen zum Club zu fahren. Ich solle sie einfach abholen. Allerdings trägt meine Kollegin den gleichen Nachnamen eines erst vor kurzem in den deutschen Medien bekannt gewordenen Mörders aus Wien, der seine potenziellen Opfer zuerst in seine Wohnung lockt um sich danach ein Festmahl aus ihnen zuzubereiten; ein Umstand, der mich zögern lässt ihren Vorschlag spontan anzunehmen. Schließlich sage ich aber trotzdem zu, denn so viel Pech kann ich ja schließlich nicht haben… Hannah hat mir bereits heute Morgen das Paar geliehene Schuhe mitgebracht, die wirklich gut zu meinem Kleid passen, welches jetzt ordentlich über meinem Stuhl hängt. Es klopft an der Zimmertür und ich öffne mit nassen Haaren und halb aufgetragenem Make-Up. Die Wirtin streckt mir ein großes weißes Paket entgegen. „Das hat jemand für dich abgegeben.“ Habe ich diesen Satz nicht schon einmal gehört? Verwundert nehme ich das nicht allzu schwere Paket entgegen und versuche, allerdings erfolglos, einen Absender auszumachen.

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