Elfenseele - Hinter dem Augenblick by Michelle Harrison

Elfenseele - Hinter dem Augenblick by Michelle Harrison

Autor:Michelle Harrison [Harrison, Michelle]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-12-26T05:00:00+00:00


13

m folgenden Tag erwies es sich weit schwieriger als erwartet, Fabian aus dem Weg zu gehen. Seit Tanya Red entdeckt und die Wahrheit um ihre Fähigkeit erfahren hatte, unterschieden sich ihre Pläne ganz erheblich von den seinen, insbesondere was den neuerlichen Streifzug in den Wald anbelangte. Als sie ihr Zimmer schließlich um die Mittagszeit steif und erschöpft verließ, hatte sie nur einen Gedanken im Sinn - nämlich herauszufinden, wer der Wechselbalg in ihrer Familie gewesen war. Und was dies anbelangte, hatte sie keine Ahnung, wo sie anfangen sollte. Sie grübelte darüber nach, wer ausgetauscht worden sein konnte, jemand aus der Familie ihrer Mutter oder der ihres Vaters, und wann er oder sie wohl gelebt hatte … oder ob es vielleicht sogar jemand war, der noch am Leben war, jemand, den sie kannte. Diese Möglichkeit beunruhigte sie zutiefst.

Ihre zweite Sorge galt den Gegenständen, die Red sie zu besorgen gebeten hatte. Dies würde problematisch werden, das wusste sie, denn nach ihrem Ausflug nach Tickey End waren ihr nur noch ein paar Pfund geblieben. Wenn sie keinen Weg fand, sich etwas Geld dazuzuverdienen, würde sie das Risiko eingehen müssen, die meisten Dinge hier im Haus zu stehlen - und das erforderte Zeit und genaue Planung. Solange die Liste nicht vollständig war, konnte sie Red nur mit Lebensmitteln unterstützen, die sie in den Durchgang hinter dem Bücherschrank stellte.

Florence war nirgendwo zu sehen, als sie hinunterkam, aber sie hatte ihr am Kühlschrank die Notiz hinterlassen, dass ihre Mutter am Vormittag angerufen hatte. Tanya zerknüllte das Zettelchen und warf es in den Mülleimer. Sie war noch immer verletzt, weil sie hier in diesem abgeschiedenen, düsteren Haus zurückgelassen worden war. Wenn ihre Mutter ihr Gewissen erleichtern wollte, weil sie sie aufs Land abgeschoben hatte, dann war das ihre Sache; sie dachte nicht daran, es ihr leicht zu machen.

Sie füllte Cornflakes in eine Schüssel und setzte sich an den Küchentisch. Ihre Großmutter war gar nicht glücklich gewesen, als Tanya sich geweigert hatte, zum Frühstück herunterzukommen. Minutenlang hatte sie gegen ihre Zimmertür gehämmert, bis sie schließlich kapitulierte und die Treppe wieder hinabstapfte.

Aus einem Impuls heraus schaltete Tanya das Radio auf dem Fensterbrett ein und hörte nebenher Nachrichten. Das entführte Kind wurde kurz erwähnt, dann folgte eine weitere Beschreibung von Red. Der Beitrag war nur kurz, aber danach hatte Tanya Eisklumpen im Magen. Der Gedanke an Red in den Tunneln unter dem Haus sorgte dafür, dass sie sich unwohl fühlte in ihrer Haut, und nicht zum ersten Mal fragte sie sich, ob ihr Schweigen nicht ein Fehler war, den sie noch bereuen würde. Ein Strom widersprüchlicher Gedanken durchbrauste sie. Red war unberechenbar, verzweifelt. Verzweifelte Leute handelten verzweifelt. Gefährlich. Und es gab keine Garantie, dass sie zu ihrem Wort stehen und dem Haus fernbleiben würde. Aber sie war auch die einzige Person mit Tanyas Fähigkeit, die sie kannte, und dies war ein Band, das sie nicht ignorieren konnte. Beide waren sie durch Elfenhand bestraft worden, doch nun war klar, dass das, was Tanya widerfahren war, höchstens Plage genannt werden konnte. Red, so schien es, hatte eher eine Folter ertragen müssen.



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