Eisnacht by Sandra Brown
Autor:Sandra Brown
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2012-01-23T23:00:00+00:00
Kapitel 19
Lilly schob einen weiteren dicken Ast zu denen, die bereits auf dem Kaminrost glühten. Sie hatte mit dem Holz gegeizt, die Äste einzeln verfeuert und sie erst auf den Rost gelegt, wenn das Feuer auszugehen drohte.
Trotz ihrer Sparsamkeit war der Holzvorrat, den sie ins Haus getragen hatte, bis auf ein paar Späne aufgebraucht, die sie von den dicken Klötzen abgehauen hatte. Wenn sie das Holz weiter in diesem Tempo verfeuerte, müsste es noch zwei Stunden reichen.
Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte, wenn es verbraucht war. Selbst in der Hütte würde sie ohne Feuer in der kommenden Nacht wahrscheinlich erfrieren. Sie brauchte um jeden Preis ein Feuer zum Überleben. Aber - und darin lag die Ironie - die Anstrengung, die es kosten würde, mehr Feuerholz ins Haus zu tragen, würde sie wahrscheinlich umbringen.
»Lilly?«
Sie zog die Lippen zwischen die Zähne, kniff die Augen zu und wünschte sich, sie könnte ihre Ohren ebenso effektiv verschließen. Seine Stimme war zu überzeugend, seine Argumente waren zu vernünftig. Wenn sie sich davon umstimmen ließ, würde sie als Opfer Nummer sechs enden.
Sich mit ihm zu streiten, kostete sie zusätzliche Kraft. Sie bewegten sich immer nur im Kreis, ohne einen Schritt weiterzukommen. Sie würde ihn auf keinen Fall losbinden; er hatte ein ganzes Arsenal an Argumenten, warum sie genau das tun sollte. Und dann war da dieses Pfeifen. Weil es beim Reden nur schlimmer wurde, hatte sie irgendwann aufgehört, ihm zu antworten.
»Lilly, sag was. Wenn du noch bei Bewusstsein bist, musst du mich hören können.«
Sein Tonfall war, angeheizt von ihrer Weigerung, ihm zu antworten, immer gereizter geworden. Sie stand von ihrem Sitzplatz am Feuer auf, trat ans Wohnzimmerfenster und schaute im Vorbeigehen durch die offene Schlafzimmertür. »Warum hältst du nicht den Mund?«
Sie schob die Vorhänge beiseite und sah in der Hoffnung, dass der Schneefall nachgelassen hatte, nach draußen. Keine Spur. Das Schneetreiben war so dicht, dass sie nur ein paar Meter weiter blicken konnte, als das Verandadach reichte. Der Berggipfel hatte sich in eine weiße, lautlose, unzugängliche Science-Fiction-Landschaft verwandelt.
»Ist es weniger geworden?«
Kopfschüttelnd wandte sie sich vom Fenster ab und umgriff ihre Ellbogen, um das Frösteln abzuwehren. Dass sie sich kurz vom Feuer entfernt hatte, hatte genügt, damit die Kälte durch alle Kleidungsschichten drang. Sie hatte sämtliche Socken angezogen, die sie dabeihatte, trotzdem blieben ihre Füße kalt. Am liebsten hätte sie sich in die Hände gepustet, um sie aufzuwärmen, aber dazu fehlte ihr der nötige Atem.
Tierney hatte sich nicht über die Kälte beschwert. Seine unablässigen Bemühungen, die Handschellen abzustreifen, hielten ihn warm. Offenbar war er zu dem Schluss gekommen, dass eine Flucht ein Paar wundgescheuerte, blutige Handgelenke aufwog. Er hatte nicht einmal versucht, den Lärm zu übertönen. Sie hatte das unaufhörliche Klirren von Metall auf Metall, das Rumpeln des Kopfendes gegen die Wand und die zornigen, frustrierten Flüche gehört, als die Handschellen nicht nachgeben wollten.
»Wie sieht es mit dem Feuerholz aus?«, fragte er.
»Es reicht fürs Erste.«
»Fürs Erste. Und wie sieht es später aus? In einer Stunde?«
Sie trat in die offene Tür. »Darüber mache ich mir Gedanken, wenn es so weit ist.
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