Eine treue Frau by Jane Gardam

Eine treue Frau by Jane Gardam

Autor:Jane Gardam
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783446251861
Herausgeber: Hanser Berlin im Carl Hanser Verlag München 2015
veröffentlicht: 2015-11-19T00:00:00+00:00


Betty stand auf und ging nachdenklich ins Haus. Sie starrte den weißen Teppichboden an.

»Der muss dann wohl weg«, sagte sie.

Sie betrachtete die bodentiefen Fenster und die darunterliegende Straße und fragte sich, wie stabil der Balkon war. Sie lächelte, wandte sich an die schwarzen Kerzen aus dem schottischen Stück und sagte: »Ich dachte, glücklicher kann man nicht mehr sein. Und jetzt bin ich es.« Dann ging sie allein zum Arzt.

An diesem Tag lief sie verträumt herum, lächelte jeden Passanten liebevoll an, ging bei Rot über die Ampeln, legte Kindern die Hand auf den Kopf. Am Buckingham Palace starrte sie durch den Zaun wie eine Touristin. Sie ging zum Queen-Victoria-Denkmal und schaute zu dem hässlichen, ungehaltenen Gesicht hinauf. Unmengen Kinder!, dachte sie. Und bis über beide Ohren verliebt.

Im St. James’s Park beugte sie sich über ein Brückengeländer und beobachtete die Enten, die geschäftig im Kreis schwammen, und jede Ente war eine himmlische Ente, und die Brücke war silbern, und Diamanten lagen auf dem Weg. Die Weiden senkten sich seufzend über das Wasser. Sie ging den Birdcage Walk hinauf und über die Horse Guards Parade, die schäbig und farblos wirkte, weil immer noch Sandsäcke aus dem Krieg in zusammengesackten Haufen dalagen. Sie kam an Number 10 Downing Street vorbei, dessen Tür mal hätte gestrichen werden müssen, und dann am Fluss, der tief und schnell dahinfloss, was er auch noch tun würde, wenn sie längst nicht mehr lebte. Ebenso wenig wie das Baby. Sie ging an der Northumberland Avenue vorbei, an Cleopatra’s Needle, am bröckelnden, untergehenden Savoy Hotel mit dem mittelalterlichen Palastkeller. Sie ging zur Strand, überquerte die Aldwich, und dann ging sie direkt zum Inner Temple und zu Edward.

»Ja, bitte?«, fragte der Clerk beflissen. »Welcher Name, bitte? Mr Feathers ist in einer Besprechung.«

»Ich bin Elizabeth Feathers. Betty. Ich wollte mich für den Sessel bedanken.«

Eine Schar Mädchen hinter riesigen Schreibmaschinen sah kollektiv auf, und ein jüngerer Clerk im steifen Kragen staubte einen Stuhl ab und brachte ihn ihr.

»Wir können ihn jetzt nicht stören«, sagte er. »Tut mir sehr leid. Aber es dauert nicht lange. Herzlichen Glückwunsch zur Aufnahme in die Kanzlei!«

»Oh, ich bin keine Anwältin«, sagte sie. »Aber vielleicht werde ich es! Ich habe das Gefühl, ich könnte alles werden. Ach ja, wir geben übrigens eine Party.« Während sie so plauderte und alle sie beobachteten, wurde ihr bewusst, dass sie schön war. Glück macht schön. Ich bin glücklich und schön wie ein Engel …

Die Tür zum Zimmer der Clerks ging auf, und Edward kam heraus. Er blieb verdattert stehen.

Neben ihm – er ging ihm nur bis zur Hüfte – stand Albert Ross.



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