Ein Mädchen ohne Mitgift by Heyer Georgette

Autor:Heyer, Georgette [Georgette, Heyer]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-07-09T16:00:00+00:00

10

Als der Viscount Lord Nettlecombes Pension verließ, schäumte er noch eine Zeitlang vor Zorn. Nach der ersten Hälfte des Wegs nach Ober-Harrowgate hatte sich dieser jedoch etwas gelegt, und die komische Seite des eben stattgefundenen Gesprächs packte ihn so überwältigend, daß der funkelnde Blick der Wut in seinen Augen verschwand und die harten Linien um seinen Mund sich lösten. Als er sich einige der Dinge ins Gedächtnis zurückrief, die gesagt worden waren, begann er zu kichern; und als er sich die Szenen vorstellte, die Nettlecombe dazu gebracht hatten, die sparsamste Haushälterin, die er je gehabt hatte, zu ehelichen, entdeckte Desford, daß er um Haaresbreite drauf und dran war, die vulgäre Person entschieden zu mögen.

Er wünschte sich sehr, jemanden hierzuhaben, der den Spaß geteilt hätte: Hetta zum Beispiel, die denselben Sinn für Humor besaß wie er. Er würde ihr natürlich alles erzählen, aber eine absurde Begebenheit nachzuerzählen war nicht dasselbe wie das gemeinsame Erlebnis. Es war nur zu hoffen, daß sie nicht den Fehler beging, diesen langweiligen Burschen zu heiraten, der in Inglehurst hinter ihr hergelaufen war, denn der würde überhaupt nicht zu ihr passen: er war genau die Sorte von schwerfälligem Patron, der verdutzt fragen würde, was sie denn gemeint habe, wenn sie einen Witz machte. Wenn man es recht bedachte, war ihm noch keiner von Hettas Freiern – Himmel, wie viele es gegeben hatte! – ihrer würdig erschienen: komisch, daß ein so intelligentes Mädchen nicht imstande sein sollte, auf einen Blick Männer zu erkennen, die tief unter ihr standen! Wenn er sich ihre Freier ins Gedächtnis rief, konnte er sich nicht eines einzigen entsinnen, der ihm gefallen hätte. Es hatte einige todlangweilige darunter gegeben, mindestens zwei hohle Schwätzer, und jede Anzahl von Männern, die seiner Meinung nach wirklich armselige Tröpfe waren.

Diese Überlegungen hatten ihn von dem unmittelbaren Problem abgelenkt, aber er erinnerte sich seiner bald wieder und ließ jeden Wunsch in ihm ersterben, über den Fehlschlag seiner Mission zu lachen oder über die seltsamen Grillen der Frauenzimmer nachzusinnen. Ein weniger entschlossener Mann hätte vielleicht das Gefühl gehabt, einen Tiefschlag erlitten zu haben, und würde sein Handtuch in den Ring werfen, aber die nachlässige Art des Viscount beinhaltete einen Zug von Entschlossenheit, und er hatte nicht die Absicht, sich in diesem oder einem anderen Kampf geschlagen zu geben. Gewiß, er hatte einen Rückschlag erlitten, daher mußte er jetzt eine andere Möglichkeit finden, Cherrys künftiges Wohlergehen zu sichern. Er hatte nicht sofort eine Idee. Er fragte sich, was sie jetzt wohl tat, ob sie in Inglehurst glücklich war oder zuviel Angst hatte, um glücklich sein zu können. Mit einem leichten Schock kam ihm zu Bewußtsein, daß sie nun schon seit neun Tagen dort war.

Hätte er bloß gewußt, wie selig Cherry war, und daß sie nur sehr selten an ihre Zukunft dachte! Sie hatte sich in ihre Umgebung eingefügt, als hätte sie ihr ganzes Leben in Inglehurst verbracht; und es machte ihr anscheinend genausoviel Freude, ihren Gastgeberinnen nützlich zu sein, wie an den kleinen Gesellschaften, die Lady Silverdale gab, teilzunehmen. Ja, Henrietta dachte, daß ersteres sie mehr freute, denn Cherry neigte von Natur aus zu Zurückgezogenheit.

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