Du und Ich by Niccolò Ammaniti

Du und Ich by Niccolò Ammaniti

Autor:Niccolò Ammaniti [Ammaniti, Niccolò]
Die sprache: deu
Format: mobi
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2011-11-02T23:00:00+00:00


6

Olivia setzte sich aufs Sofa. Sie zog sich die Stiefel aus, schlug die Beine übereinander und zündete sich eine neue Zigarette an. »Es ist echt schön hier. Man fühlt sich richtig wohl.«

»Danke«, rutschte es mir heraus, als wäre das meine Wohnung.

»Hast du was zu trinken?«

»Es gibt Fruchtsaft, Coca-Cola … warm, und Wasser.«

»Hast du kein Bier?«

»Nein.«

»Dann ein bisschen Saft«, bestellte sie, als wäre sie in einer Bar.

Ich brachte ihr die Flasche, sie nahm einen tiefen Schluck und wischte sich den Mund mit dem Pulloverärmel ab. »Das ist der erste ruhige Moment des Tages.« Sie rieb sich die Augen und stieß eine Rauchwolke aus. »Ich muss mich ausruhen.« Sie legte den Kopf auf die Sofalehne, blieb so und starrte die dunkle Decke an.

Ich betrachtete sie schweigend und wusste nicht, was ich sagen sollte. Vielleicht hatte sie keine Lust zu reden, oder ich war für sie keiner, mit dem man sich unterhalten kann. Umso besser.

Ich legte mich hin und begann zu lesen, doch ich konnte mich nicht konzentrieren. Ich schaute über mein Buch hinweg und beobachtete sie. Sie hatte die Zigarette im Mund und die Augen geschlossen. Die Asche wurde länger, doch sie schnippte sie nicht ab. Ich machte mir Sorgen, dass sie herunterfallen und sie verbrennen könnte. Vielleicht schlief sie.

»Ist dir kalt? Willst du eine Decke?«, fragte ich, um es herauszufinden.

Sie brauchte eine Weile für die Antwort. Mit geschlossenen Augen sagte sie: »Ja, danke.«

»Es gibt die der Contessa … Sie sind alt und stinken auch ein bisschen.«

»Der Contessa?«

»Ja, die vor uns in unserer Wohnung gewohnt hat. Denk nur, Papa hat die Wohnung gekauft, und sie durfte drinbleiben. Er hat gewartet, bis sie gestorben war. Um ihr zu helfen. All dieses Zeug ist aus der Wohnung der Contessa Nunziante.«

»Ah, er hat sie als Eigentum ohne Nießbrauch gekauft.«

»Was bedeutet das?«

»Weißt du nicht, was Eigentum ohne Nießbrauch ist?«

»Nein.«

»Das ist, wenn einer, weil er keine Verwandten und auch keine Lira mehr hat, seine Wohnung zu einem niedrigen Preis verkauft, aber bis zu seinem Tod drinbleiben kann … Das ist nicht so leicht zu erklären.« Sie lachte in sich hinein. »Warte, jetzt erkläre ich es dir besser …« Sie sprach langsam, als fehlten ihr die Worte. »Stell dir mal vor, du bist alt und hast niemanden, du hast nur eine kleine Rente, und was machst du also? Du verkaufst die Wohnung mit dir darin, und erst wenn du stirbst, gehen die Wohnung und alle Sachen an den, der sie gekauft hat … Hast du verstanden?«

»Ja.« Ich hatte gar nichts verstanden. »Aber wie lange dauert das?«

»Hängt davon ab, wann du stirbst. Nach einem Tag oder nach zehn Jahren, je nachdem. Es heißt, nachdem man das Eigentum ohne Nießbrauch verkauft hat, stirbt man nie. Einer, der im Sterben liegt und das bloße Eigentum verkauft, schleppt sich noch zwanzig Jahre hin.«

»Und wieso?«

»Weiß ich nicht … Aber ich glaube, wenn die Leute hoffen, dass du stirbst …«

»Also wenn du die Wohnung gekauft hast, musst du hoffen, dass der, der drin ist, bald stirbt? Das ist schlimm.«

»Du sagst es. Papa hat also … eure Wohnung gekauft … als die …« Sie hörte auf zu sprechen.



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