Du sollst nicht leben by Carver Tania

Du sollst nicht leben by Carver Tania

Autor:Carver, Tania [Carver, Tania]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Romane, Thriller
ISBN: 3548613519
Goodreads: 33633230
Herausgeber: List Taschenbuch
veröffentlicht: 2014-06-11T22:00:00+00:00


45 Der Rechtsprecher wartete, bis die Nadel sich gesenkt hatte. Zweimal die Snare Drum, dann setzte das Riff der Hörner ein. Er begann durchs Zimmer zu tanzen. Er sang mit. Seine Stimme war voller Leidenschaft, wenngleich lange nicht so gut wie Curtis Mayfields wunderbar reiner, souliger Gesang. »Move On Up«. Das traf es genau.

Dämlicher Bulle … dieser dämliche, beknackte Scheißbulle …

Redete über Modelle, über Jukeboxen, über Gott und die Welt – nur nicht über das, weshalb er eigentlich gekommen war. Kinderleicht an der Nase herumzuführen. Kinderleicht anzulügen. Vollidiot. Vollkommen ahnungslos. Anfangs hatte er gedacht, die Polizei hätte ihn nicht befragt, weil er ganz einfach Glück gehabt hatte. Doch als schließlich dieses Exemplar vor seiner Tür gestanden, als er es hautnah in Aktion (beziehungsweise Nicht-Aktion) erlebt hatte, war ihm klargeworden, dass es mit Glück überhaupt nichts zu tun hatte. Er war einfach klüger als sie. Ihnen haushoch überlegen. Daran lag es.

Sie hatten ihn noch nicht geschnappt, und sie würden ihn auch nicht schnappen. Jetzt konnte ihn nichts mehr aufhalten. Weil er das Richtige tat. Das wusste er. Alle Zweifel, die er vielleicht noch gehabt hatte – und er hatte Zweifel gehabt, denn bei jeder wichtigen Sache, die man tat, gab es irgendwann Zweifel –, waren durch das Erscheinen des Polizisten ausgeräumt worden. Der Rechtsprecher hatte auf ein Zeichen gewartet, auf etwas, das ihm die Bestätigung gab, auf dem richtigen Weg zu sein. Er hatte gehofft, in den Gesprächen mit Phil Brennan würde sich ihm dieses Zeichen offenbaren. Ein Irrtum. Brennan hatte sich als jemand entpuppt, der genauso war wie alle anderen. Und wenn man von diesem Khan auf das geistige Niveau der anderen Leute von Brennans Ermittlungsteam schließen konnte, überraschte ihn das kein bisschen.

Gleich und gleich gesellte sich gern.

Nein. Khans Besuch war genau das gewesen, was der Rechtsprecher gebraucht hatte. Er stand bewegungslos in der Mitte des Zimmers, ließ sich von der Musik umfließen, den Beat in seinem Leib vibrieren. Das war es, dachte er. Dafür war er geschaffen. Dafür war er auf die Erde gesandt worden. Und nichts würde ihn aufhalten. Niemand. Ein Omen. Für gewöhnlich glaubte er nicht an so etwas. Er hielt sich nicht für abergläubisch. Aberglaube war für die Kleinen und Beschränkten. Diejenigen, die es nicht fertigbrachten, an sich und ihren eigenen Verstand zu glauben, die immer jemand anderem die Schuld für ihre Misere geben mussten. Sie brauchten Horoskope und Gott und Kristalle und weiß der Teufel was sonst noch alles, um durchs Leben zu kommen. Er war vollkommen anders. Sein Vater hatte ihn geprägt. Man arbeitet, hatte er immer gesagt. Das ist es, was man tut. Man arbeitet, und man lebt sein Leben. Man macht sich seine Chancen selbst, man wartet nicht darauf, dass andere sie einem geben. Denn dann kann man bis in alle Ewigkeit warten.

Er hatte recht gehabt, sein Vater – obwohl er seine Arbeit, kurz darauf seine Gesundheit und schließlich sein Leben verloren hatte. Er hatte nie aus dem Blick verloren, woran er glaubte.

Es war nicht seine Schuld, dass die Zeiten sich änderten.



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