Du oder das ganze Leben by Elkeles S

Du oder das ganze Leben by Elkeles S

Autor:Elkeles, S [Elkeles, S]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-01-12T17:00:00+00:00


29

Brittany

Ich schäme mich nicht, eine behinderte Schwester zu haben. Aber ich habe Angst davor, wie Alex auf sie reagieren wird. Ich könnte es nicht ertragen, wenn er sie auslacht. Ich fahre herum. »Du hältst dich wohl nicht gerne an Anweisungen, was?«

Er grinst, als wollte er sagen: Ich bin in’ner Gang, was hast du erwartet?

»Ich muss nach meiner Schwester sehen. Macht es dir was aus?«

»Kein Stück. So bekomme ich die Chance, sie kennenzulernen. Vertrau mir.«

Ich sollte ihn rauswerfen, mitsamt seiner Tattoos. Ich sollte, aber ich mache es nicht.

Ohne ein weiteres Wort führe ich ihn in unsere düstere, mahagonigetäfelte Bibliothek. Shelley sitzt in ihrem Rollstuhl und guckt Fernsehen. Ihr Kopf ist in eine unbequeme Position auf die Schulter gesunken.

Als sie bemerkt, dass sie nicht länger allein ist, schwenkt ihr Blick vom Fernseher zu mir und Alex.

»Das ist Alex«, erkläre ich ihr und schaltete den Fernseher aus. »Ein Schulfreund.«

Shelley schenkt Alex ein schiefes Lächeln und haut mit ihren Fingerknöcheln auf die für sie angefertigte Spezialtastatur. »Hallo«, sagt eine weibliche, elektronische Stimme. Sie drückt eine zweite Taste. »Ich heiße Shelley«, fährt der Sprachcomputer fort.

Alex kniet sich hin, damit er auf Shelleys Augenhöhe ist. Diese schlichte Art, ihr Respekt zu zollen, berührt mich an einer Stelle, die sich verdächtig nach meinem Herzen anfühlt. Colin ignoriert meine Schwester immer. Er behandelt sie, als sei sie nicht nur körperlich und geistig zurückgeblieben, sondern noch dazu blind und taub.

»Wie geht’s?«, fragt Alex. Er nimmt Shelleys Hand in seine und schüttelt sie. »Cooler Computer.«

»Das ist ein Sprachcomputer«, erkläre ich ihm. »Er hilft ihr zu kommunizieren.«

»Spiel«, sagt die Computerstimme.

Alex hockt sich neben Shelley. Ich halte vor Schreck den Atem an, doch dann sehe ich, dass ihre Hände nicht in die Nähe seines dichten Haarschopfes kommen.

»Du hast Spiele hier drauf?«, fragt er.

»Ja«, erwidere ich an ihrer Stelle. »Sie ist zu einem Dame-Freak geworden. Shelley, zeig ihm, wie es funktioniert.«

Alex sieht aufmerksam zu, während Shelley konzentriert den Bildschirm mit ihren Knöcheln berührt. Es scheint ihn zu faszinieren.

Als das Spielbrett auf dem Bildschirm erscheint, stupst Shelley Alex’ Hand an.

»Du zuerst«, sagt er.

Sie schüttelt ihren Kopf.

»Sie möchte, dass du zuerst ziehst«, sage ich zu ihm.

»Cool.« Er berührt den Bildschirm.

Ich sehe den beiden zu und schmelze dahin wie Vanilleeis in der heißen Julisonne, weil dieser toughe Kerl so geduldig mit meiner Schwester spielt.

»Macht es dir was aus, wenn ich euch kurz allein lasse, um Shelley einen Snack zu holen?«, frage ich. Ich muss unbedingt hier weg.

»Nö, mach ruhig«, sagt er ohne aufzuschauen. Er konzentriert sich voll und ganz auf das Spiel.

»Du brauchst sie nicht gewinnen zu lassen«, sage ich noch, bevor ich aus dem Zimmer gehe. »Sie ist ziemlich gut darin.«

»Oh, danke für die Lorbeeren, aber ich versuche hier gerade zu gewinnen«, erwidert Alex. Das breite Grinsen auf seinem Gesicht wirkt echt, er markierte zur Abwechslung einmal nicht den coolen Großkotz. Was mein Bedürfnis, die Flucht zu ergreifen, nur noch vergrößert.

Als ich ein paar Minuten später mit Shelleys Essen zurück in die Bibliothek komme, sagt er: »Sie hat mich geschlagen.«

»Ich hab dir ja gleich gesagt, dass sie gut ist.



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