Dolan by Lothar Streblow

Dolan by Lothar Streblow

Autor:Lothar Streblow
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: SAGA Egmont
veröffentlicht: 2018-06-20T00:00:00+00:00


Verseuchte Fische

In tropischen Breiten waren Jahreszeiten kaum spürbar, zumal im Meer. Nur die Winde wechselten und die Wolken. Und wenn die Delphine auf ihren Wanderzügen in andere Seegebiete vorstießen, wechselten die Meeresströmungen, stieg kaltes Tiefenwasser auf und verdrängte das erwärmte Wasser der Oberfläche. Und je nach der Temperatur des Wassers wechselten auch die Lebewesen, wechselte das Nahrungsangebot. Das wußten die erfahrenen Tümmler, danach richteten sie ihre Beutezüge. Und Dolan lernte von ihnen.

Er war nun über ein Jahr alt. Milch hatte er in letzter Zeit nur noch selten bekommen, seit der erneuten Paarung seiner Mutter überhaupt nicht mehr. Und wenn er es mitunter noch mal versuchte, mit seiner Schnauze nach den in ihren Bauchtaschen verborgenen Zitzen zu stupsen, wandte sie sich brüsk ab.

Im Grunde war Dolan auf Milch nicht mehr angewiesen, er naschte nur gern. Damit war es nun endgültig vorbei. Und Fische fangen konnte er inzwischen, auch allein.

Trotzdem gab es noch vieles zu lernen. Die Unterwasserlandschaft der Ozeane war ungeheuer vielgestaltig, bot ständig neue Überraschungen, nicht nur zwischen Riffen und Tangwäldern. Scheinbar grundlos dunkle Tiefen wechselten mit einzeln aufragenden, erloschenen Vulkankegeln, mit hohen untermeerischen Gebirgsketten, sandiger Grund mit schroffem Fels, klare See mit trübem Wasser. Doch selbst bei absoluter Dunkelheit bewegte Dolan sich völlig sicher, formte mit seinem Sonar ein inneres Bild seiner Umgebung, erkannte damit jedes starre und bewegliche Objekt, Beutefische und harmlose oder gefährliche Haie.

Aber neben natürlichen Gefahren gab es auch noch andere, mit dem Sonar nicht wahrnehmbare. In dem Seegebiet, das die Tümmler gerade durchquerten, zeigte das Wasser eine ungewöhnlich trübe Färbung. Seltsam schillernde Flekke trieben auf den Wellen. Und als Dolan einen merkwürdig träge schwimmenden Fisch verschlang, spürte er mit einemmal einen fremdartig unangenehmen Geschmack. Er konnte ja nicht wissen, daß ein Tankschiff hier das Meer mit giftigen Abfallchemikalien verseucht und auch die Fische vergiftet hatte, auch den eben verschlungenen.

Stunden später spürte Dolan eine zunehmende Übelkeit. Er fühlte sich schwach, und seine Temperatur stieg. Es fiel ihm immer schwerer, das gleichmäßige Tempo zu halten. Und als er ein wenig hinter den anderen zurückblieb, näherte sich sofort ein großer Hai. Erschrocken stieß Dolan Angstlaute aus.

Im gleichen Augenblick sah er sich von seinen Gefährten umringt, die ihn schützend gegen den Hai abschirmten. Und einige jagten zielsicher auf den Hai zu, rammten ihn von mehreren Seiten, brachen ihm mit wuchtigen Schnauzenstößen sein Knorpelskelett, bis er leblos in die Tiefe sank.

Inzwischen hatte Dolans Mutter seinen Zustand erkannt. Schallwellen durchdrangen im Wasser ja einen Körper, als sei er durchlässig, reflektierten nur Knochen, Zähne und gasgefüllte Körperhöhlen. Und sie nahm mit ihren feinen Sinnen wahr, daß Dolan an einer Vergiftung litt.

Sie wußte genau, was zu tun war. Ein kranker Delphin konnte sich nicht gesundschlafen, wie Landtiere es tun. Er mußte atmen, spätestens alle sieben Minuten, mußte dazu aus dem Wasser auftauchen. Und er mußte beim Atmen gestützt werden, wenn er zum Auftauchen allein zu schwach war. Er brauchte Pflege, rund um die Uhr. Ohne diese Fürsorge wäre er im Meer verloren. Und er brauchte Ruhe, abseits der anderen.

Das wußten auch seine Gefährten. Sie überließen Dolans Pflege seiner Mutter, zogen sich ein wenig zurück.



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