Die zweite Haut by Jahn Ryan David

Die zweite Haut by Jahn Ryan David

Autor:Jahn, Ryan David
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2014-03-04T00:00:00+00:00


Er saß im Saab und beobachtete im Seitenspiegel den Eingang des Gebäudes. Roberts spätnachmittägliche Rauchpause stand bevor. Obwohl er Dutzende Autos auf der Straße fahren sah und Fußgänger über die Bürgersteige spazierten, hatte er das Gefühl, nicht wirklich an diesem Ort zu sein. Das Auto dämpfte den Lärm der Außenwelt und gab ihm das Gefühl, nicht dazuzugehören.

Ein Obdachloser kam an die Scheibe und klopfte. Simon schüttelte den Kopf. Der Mann klopfte erneut. Simon rollte das Fenster runter.

»Verschwinde.«

Der Obdachlose – ungefähr vierzig, mit dichtem Bart und ohne Zähne – fragte: »Wollen Sie aussteigen? Brauchen Sie Zeit auf der Parkuhr?«

»Nein.«

»Nein, Sie steigen nicht aus, oder nein, Sie wollen keine Extrazeit auf der Uhr?«

»Verschwinde einfach.«

»Sie kriegen trotzdem Zeit auf der Uhr«, sagte der Obdachlose. Er ging zu der Parkuhr, hinter der Simon parkte, zog etwas hervor, das wie eine verbogene Büroklammer aussah, stocherte damit im Geldschlitz herum, bewegte dann sein Handgelenk ein paarmal auf und ab, wobei er mit jeder dieser Bewegungen der Parkzeit fünfzehn Minuten hinzufügte. Er hörte erst auf, als das Maximum von zwei Stunden erreicht war.

»Sehen Sie«, sagte der obdachlose Mann. »Geben Sie mir einen Dollar. Dann haben Sie es für die Hälfte bekommen.«

»Ich steige nicht aus.«

»Kommen Sie, Mann, ist doch nur ein lumpiger Dollar.« Simon gab ihm einen Dollar, um ihn loszuwerden.

»Und nun lass mich zufrieden.«

Er fischte in seiner Tasche nach Zigaretten, steckte sich eine zwischen die Lippen und zündete sie an.

»Sind das Camels? Meinen Sie, ich könnte eine haben? Ich liebe …«

Simon warf ihm die ganze Schachtel zu. Sie traf den Mann an der Brust und fiel dann auf den Gehsteig.

»Scheiße, verpiss dich jetzt.«

»Danke«, sagte der Mann und sammelte die Zigaretten auf. »Haben Sie Feu… Schon gut. Danke.«

Er hielt die Schachtel dicht ans Ohr, wie Kinder es mit Muscheln tun, und schüttelte sie, um festzustellen, wie viele Zigaretten noch drin waren.

Simon nahm einen Zug von seiner Zigarette und sah im Seitenspiegel zum Gebäudeeingang. Aber es war nicht Roberts Spiegelbild, das er da sah. Es war Robert selbst. Er hatte sich bereits an der Längsseite des Auto vorbeibewegt und ging nun weiter. Vermutlich brauchte er ebenfalls Zigaretten, denn er steuerte den Schnapsladen in der Fourth Street an, wo er sich immer eine Schachtel holte.

Simon stieß die Tür auf, stieg aus und schlug sie hinter sich zu. Er folgte Robert auf dem Gehsteig, und als der an einer Seitengasse vorüberging, stürzte er sich auf ihn, stieß ihn in die stinkende graue Luft des schmalen Einschnitts zwischen den Gebäuden und schmetterte ihn mit voller Wucht gegen einen verrosteten grünen Müllcontainer.

»Warst du es?«, fragte er. Die brennende Zigarette tanzte zwischen seinen Lippen.

»Wa…«

»Hast du sie geholt?«

»Wen geholt?«

»Das weißt du genau, verdammt noch mal«, sagte Simon. Er schüttelte Robert und schmetterte ihn ein zweites Mal gegen den Müllcontainer. »Hast du sie geholt oder nicht?«

»Ich weiß gar nicht, wovon du redest.«

Simon packte ihn am Hemdkragen und schleuderte ihn nach rechts, sodass er gegen eine Mauer aus roten Ziegelsteinen prallte. Dann packte er den Hemdkragen erneut und näherte sich Roberts Gesicht bis auf wenige Zentimeter, wodurch die glühende Spitze seiner Zigarette Roberts Wange bedrohlich nahe kam.



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