Die Woelfin by Renate Wirth Thomas Hesse

Die Woelfin by Renate Wirth Thomas Hesse

Autor:Renate Wirth Thomas Hesse [Hesse, Renate Wirth Thomas]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi
ISBN: 9783863583385
Herausgeber: Emons Verlag
veröffentlicht: 2015-07-29T16:00:00+00:00


ACHT

Sie sieht mit Entsetzen und Wut, dass die Tür sich erneut schließt.

»Sagen Sie mir wenigstens, welcher Tag heute ist. Verdammt!«

Es hat keinen Sinn. Diese Lärmschutzverkleidung schluckt alles, sobald die gepolsterte Tür dicht ist. Ihre einzige Chance, sich bemerkbar zu machen, hat sie, wenn sie offen steht. Aber ich werde nicht antworten. Wer hört meine inneren Schreie? Frau Doktor kann aus Lebenskräften schreien, sie wird nicht gehört hier. Sie lebt jetzt wie Anna. Ihr Körper und ihre Seele sind auch ein Raum, aus dem kein Ton mehr an die Welt gelangt.

Seit Neuestem gibt es das spärliche Essen nur noch auf Papptellern. Die Wasserflaschen sind halb gefüllt. Ich habe mir über alles Gedanken gemacht und fange an, mich den veränderten Gegebenheiten anzupassen. Alles ist fixiert. Die Matratze lässt sich nicht bewegen, an der Verkleidung kann sie nur kratzen, findet nirgendwo einen Ansatz zum Reißen, hatte den Gedanken, dass irgendwo ein Fenster sein könnte, klopft ihre Umgebung ab. Nichts, alles schluckt dieses ekelhafte Zeug, hinterlässt ein ständiges Rauschen in ihren Ohren. Selbst der Deckel des Campingklos ist zusätzlich befestigt und nicht zu lockern. Sie zermartert sich das Hirn auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit. Sie macht Kniebeugen, Rumpfbeugen, nutzt die Wasserflasche für minimales Training der Arme, immer abwechselnd, hat das Stadium der Lethargie hinter sich gelassen und befindet sich nun im Kampf. Überlebenskampf.

Damals hat meine Löwin auch noch gekämpft. Jeden Morgen gingen wir von diesem Hotel an der Reeser Landstraße die paar hundert Meter zur Klinik. Daheim überschlugen sich emsige Handwerker, weil die neue Wohnung fertig sein sollte, wenn Tristan entlassen wurde. Wir passierten jeden Tag den glasüberdachten Eingang, unter dem die Raucher schon in aller Frühe Ausgang und Schutz für den Glimmstängel suchten. Das makabere Bild werde ich nie vergessen. Hustende Leute im Rollstuhl, Einbeinige, die mit Gehhilfen und Kippe in der Hand alles gaben, um die Balance zu halten, schrille Trainingsanzüge, in deren Taschen sich Zigarettenschachteln abdrückten, glühende Punkte zwischen aschfahlen Lippen und eine gewisse Verbrüderung derjenigen, die ihre letzte Zuflucht in einer nikotinfreien Klinik gefunden hatten. Es miefte, und die Sandaschenbecher im Großformat waren gefüllt, sodass wir eilends versuchten, die Raucherzone zu durchqueren. Du merkst, ich erinnere mich auch an solche Details. Das ist alles haften geblieben, weil es zu unserem täglichen Gang in einer aufwühlenden Zeit gehörte.

Es ist genauso präsent wie der Augenblick, da uns Frau Doktor erzählte, wie sie Tristan therapieren und ihn wieder zu einem glücklichen Menschen machen würde. Wir glaubten ihr, so dumm, so dumm. Sie wollte über den Fall veröffentlichen. Über den Fall! Als dann das Desaster passierte, war sie nicht mehr zu sprechen. Und diese ganze verschworene Ärztesippe hat sie unterstützt. Andauernd bog der wichtige Chefarzt um die Ecke, und Dr. Ekel umkurvte sie. Es war nicht mehr ihre Sache, mit der sie renommieren konnte. Sie hat nicht alles für Tristans Rettung getan. Ganz tief in uns haben wir es gewusst, aber wir sind ja nur Laien. Im entscheidenden Augenblick war Frau Doktor nicht bei ihm gewesen.

Ja, Anna, ich werde auch im entscheidenden Augenblick nichts tun.



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