Die Verborgene by Kleck Sarah

Die Verborgene by Kleck Sarah

Autor:Kleck, Sarah [Kleck, Sarah]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783955207038
Herausgeber: dotbooks Verlag
veröffentlicht: 2014-09-01T22:00:00+00:00


Die folgende Stunde war die wahrscheinlich längste meines ganzen Lebens. Jede Minute zog sich endlos dahin wie Kaugummi.

Ungeduldig lief ich den Fußweg auf und ab, warf einen Blick auf die Uhr, blieb einen Moment stehen und begann das ganze Spiel von vorne. Dann endlich – nach einer quälenden Ewigkeit – erblickte ich ihn. Jared kam aus derselben Richtung, aus der er mir eine Stunde zuvor entgegen gejoggt war. Offensichtlich hatte er sich umgezogen. Anstatt der Laufklamotten trug er nun Sneakers, eine locker sitzende dunkelblaue Jeans und eine schwarze Softshell-Jacke mit Kapuze, die ihm unwahrscheinlich gut stand. Er sah dermaßen gut aus, dass ich für einen Moment vergaß, warum ich überhaupt mit ihm hatte reden wollen. Meine Hände wurden feucht. Womit sollte ich anfangen? Sollte ich ihn etwas fragen? Oder abwarten, was er zu sagen hatte? Würde er überhaupt etwas sagen?

„Hi“, brachte ich mühevoll hervor, als er schließlich vor mir stand.

„Hi“, erwiderte er und kniff angestrengt die Augen zusammen. Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Warum wirkte Jared nur so feindselig?

Doch dann atmete er tief ein und seine Miene wurde weicher.

„Du bist ganz schön hartnäckig“, sagte er nach einer kurzen Pause und zeigte die Andeutung eines Lächelns. Als ich den freundlichen Ausdruck in seinem Gesicht bemerkte, fasste ich neuen Mut.

„Warum gehst du mir aus dem Weg?“, platzte es aus mir heraus und ich war selbst über den fordernden Klang meiner Stimme erstaunt.

„Weil …“ Plötzlich zeigte sich wieder dieser traurige Ausdruck auf seinem Gesicht. „ … ich muss“, presste er gequält hervor.

„Weil du musst?“, wiederholte ich ungläubig. „Wer sagt das?“

Anstatt mir eine Antwort zu geben, wandte Jared den Blick ab. Ich spürte einen Kloß in meinem Hals.

„Karen Mayflower?“, riet ich und war fast sicher, ins Schwarze getroffen zu haben. „Das dachte ich mir schon … Sie hat mich aus ihrer Vorlesung geworfen“, murmelte ich wütend. Dann machte ich vorsichtig einen Schritt auf ihn zu. Er sah mich an – fragend und schmerzerfüllt. Ich stockte, atmete tief ein und kam ihm einen weiteren Schritt entgegen.

„Evelyn, bitte“, sagte Jared betont ruhig, doch der flehende Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören. „Wir sollten nicht miteinander reden.“

„Wir müssen ja nicht nur reden“, erwiderte ich – von meinen eigenen Worten überrascht – und machte einen weiteren Schritt nach vorne, so dass wir uns direkt gegenüber standen. Mein ganzer Körper begann zu kribbeln, als ich meine Hand hob und sie fest um seine schloss. Jared sah mich fassungslos an, doch er ließ es geschehen. Er ließ zu, dass ich seine Hand hielt. In meiner Magengegend spielte sich das reinste Feuerwerk ab. Die Erinnerung an unseren Kuss flammte in mir auf, ließ mich beinahe schweben. Es fühlte sich unglaublich an, Jared so nahe zu sein. Ich beugte mich noch weiter zu ihm, sog seinen berauschenden Duft ein und atmete schwer. Am liebsten hätte ich die Augen geschlossen und mich diesem Moment voll und ganz hingegeben – mich ihm hingegeben. Doch etwas anderes war im Augenblick wichtiger. Ich war hier, um Antworten zu bekommen, und dafür sollte ich im Vollbesitz meiner geistigen Fähigkeiten sein.



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