Die Unruhezone by Franzen Jonathan

Autor:Franzen, Jonathan [Franzen, Jonathan]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2015-08-19T16:00:00+00:00

In der Jalousie war noch ein Knittelvers, den ich während des Unterrichts hineinbugsiert hatte:

Auch ein Indiz das Schutzblech bringt

Westlich der großen Tür,

Die uns vor einem Feuer schützt

Bei Zimmer drei sechs vier.

Nun ging ich zur Feuerschutztür, schraubte das Schutzblech ab und klebte auf das Holz darunter einen weiteren Streifen:

Und schließlich, vor dem großen Fund,

Die letzten Faselein.

Es ist Das kleine Klingelbuch;

Der Code ist sieben acht neun.

Weitere Vierzeiler waren hinter einem Schalter für die Notbeleuchtung versteckt, in eine Projektionsleinwand eingerollt und in ein Bibliotheksbuch mit dem Titel Deine Schulvereine gelegt. Einige hätten eigentlich umgeschrieben werden müssen, aber niemand fand, sie seien Scheiße. Mein Plan war es, die Schule Mr. Knight zuliebe zu verhexen, dafür zu sorgen, dass das Gebäude als ein Geschenk für ihn vorübergehend seltsam und voller Möglichkeiten war, und mittendrin stellte ich fest, dass sich das durch Schreiben erreichen ließ.

Im Laufe der vergangenen zwei Monate hatten Schüler der fünf Physikklassen eine Farce über Isaac Newton geschrieben und aufgeführt, The Fig Connection. Ich hatte zusammen mit Siebert, einer hübschen Oberstufenschülerin, gegenüber der ich rasch starke Stagnationsgefühle entwickelte, das Schreibkomitee geleitet. Siebert hatte etwas Jungenhaftes, sie trug Latzhosen und wusste, wie man campte, aber sie war auch Künstlerin, die mühelos zeichnete und schrieb und Kohleschmierer und Acrylkleckse an den Händen hatte, und zudem war sie von einnehmender Mädchenhaftigkeit, trug immer wieder die Haare offen und Röcke mit hoher Taille. Ich wollte sie ganz für mich und ärgerte mich über jeden Jungen, der auch nur einen Teil von ihr wollte. Unser Stück kam so gut an, dass eine der Englischlehrerinnen meinte, Siebert und ich sollten doch versuchen, es zu publizieren. So wie in der Unterstufe für mich alles schiefgelaufen war, lief plötzlich alles gut.

Gegen drei Uhr kam DIOTI, beutebeladen, wieder auf dem Dach zusammen: fünfundzwanzig Klöppel und fünf Metallschalen, Letztere wagemutig von den größeren Klingeln abmontiert, die an hohen Wänden angebracht waren. Wir banden die Klöppel mit einem rosa Band zusammen, füllten die größte Schale mit Plastikheu und Ostersüßigkeiten, betteten die Klöppel und die kleineren Schalen ins Heu und verstauten das Ganze in dem niedrigen Durchgang. Danach gingen wir nach Hause, wobei Peppel und Schroer es am schwersten hatten, da sie Peppels Wagen eine Anhöhe und die Einfahrt hinaufschieben mussten. Ich schlich mich weniger vorsichtig als sonst ins Haus. Es war mir ziemlich egal, ob ich ertappt würde; endlich einmal hatte ich etwas, was sie mir nicht nehmen konnten.

Und vier Stunden später wieder in die Schule gehen und staunen, wie belebt sie war, nachdem wir sie so leer gesehen hatten: Das war ein Vorgeschmack darauf, den ersten Menschen, mit dem man nackt eine Nacht verbracht hatte, bei Tag bekleidet zu sehen.

Und dann die Stille um Viertel nach acht, wenn die Klingeln hätten läuten sollen, es aber nicht taten: Diese lautlose Verwandlung des Gewöhnlichen, dieses Geräusch des einhändigen Klatschens, diese schöne Abwesenheit – das war wie die Lyrik, die ich schreiben lernen wollte.

Am Ende der ersten Stunde tönte die Stimme eines Lehrers aus den Klassenlautsprechern und gab bekannt, dass die Klingeln nicht funktionierten. Am späteren

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