Die Tuchhändlerin by Ivonne Hübner

Die Tuchhändlerin by Ivonne Hübner

Autor:Ivonne Hübner [Hübner, Ivonne]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Liebesroman, Weberaufstand, Historischer Roman, Romantik
Herausgeber: Dryas Verlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Luisa beäugte argwöhnisch den leicht im Septemberwind tanzenden Seidenvorhang ihres Hotelzimmers. Es war ein furchtbarer Lärm an diesem zweiten September 1830 und Leipzig war ein Tollhaus.

Niemand setzte mehr einen Fuß auf die Straße – zumindest keiner von den Industriellen. Die waren an ihrer Abreise gehindert worden und saßen die Tage im Hotel aus. In den Tageblättern war von Unruhe die Rede, von Fackelzügen, glühendem Schnaufen gleich, von Parolen, nicht würdig, sie wiederzugeben.

Ludwig Treuentzien packte seine Sachen zusammen. Ihn würde niemand in Leipzig halten können. Er verbat Luisa, den Kopf aus dem Hotelfenster zu stecken, geschweige denn einen Fuß auf den Balkon oder nach draußen zu setzen. Bettine war außer sich vor Angst. Sie hockte im Salon, unfähig, das Essen von der Küche heraufzuholen, und betete in einem fort.

Ihr Vater trug jenen gelben Rock, den Luisa für ihn am letzten Messetag erstanden hatte. Dazu die grün-in-grün-karierte Weste. Die Farben schrien einander an wie der Pöbel auf der Straße.

Am dritten und vierten September gab es keine Tageszeitung. Nur Flugblätter. Deren Texte widersprachen einander. Die Stadt schien im Ausnahmezustand zu sein. Niemand wusste etwas über die Ereignisse zu berichten und jeder hatte Angst um seine Haut. Luisa wurde erdrückt von der spätsommerlichen Schwüle, die sich im ungelüfteten Hotelzimmer wie eine fette, faule Tarantel festgesetzt hatte. Sie war erfüllt von Heimweh und Sehnsucht nach ihrer Familie. Und nach Caspar. Wie es ihm wohl ging? Ernsthafte Zweifel am tieferen Sinn ihrer Existenz nagten an ihr. Die Abende brachte man mit Kartenspielen zu, aber niemand war wirklich bei der Sache. Man harrte aus, schlief schlecht, aß schlecht ...

Am fünften September war der Spuk vorbei, vielleicht weil Sonntag war und die Leute lieber wieder brav in die Kirche gingen. Aber der Rat der Stadt, das Polizeihauptquartier, der Oberhofrichtstuhl, Bordelle, Schnellpressen und die Lohnkutschen der Landeshauptmänner waren überfallen worden. Der Flächenbrand, den Luisa und ihr Vater vom Hotelzimmer aus als ein in der Ferne züngelndes Gewitter wahrgenommen hatten, war in Leipzig erloschen und hatte sich, wollte man den hoteleigenen Wichtigtuern glauben, den Rest des Landes gegriffen.

Luisa wartete auf Nachricht von ihrem Vater, hoffte darauf, dass man sie nach Hause holte. Erfuhr, dass Gotthelf Haller Christiana und den Rest der Familie rechtzeitig von zu Hause weggeholt hatte und dass auch zu Hause die Weber verrückt geworden waren. Caspar! Sie war außer sich vor Sorge. Nichts Genaues erfuhr sie aus Vaters Briefen und das machte sie wahnsinnig. Luisa ließ sich aus der Bibliothek mit Literatur versorgen, denn Bettine achtete streng darauf, dass sie in ihrem Hotelzimmer blieb. Was Luisa von den Wochen dort in Erinnerung behalten sollte, waren die Bücher, die sie Seite um Seite durchblätterte und von denen sie kein einziges Wort im Kopf behielt.



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