Die Toten von Santa Clara by Wilson Robert

Die Toten von Santa Clara by Wilson Robert

Autor:Wilson, Robert [Wilson, Robert]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-10-21T16:00:00+00:00


SIEBZEHN

Auf dem Weg zum Gefängnis, das außerhalb von Sevilla in Alcalá lag, rief Falcón den Direktor an, den er gut kannte, und erklärte ihm die Situation. Der Direktor war zu Hause, versprach jedoch, alle nötigen Anrufe zu tätigen. Falcón würde ungehinderten Zugang zu dem Gefangenen haben, und auch die Begleitung von Alicia Aguado würde kein Problem darstellen. Er machte allerdings deutlich, dass auch der Gefängnispsychologe sowie eine Krankenschwester anwesend sein würden für den Fall, dass Sebastián Ortega ruhig gestellt werden musste.

Das Gefängnis lag auf einem verdörrten Stück Land an der Straße nach Antequerra und schillerte so heftig in der heißen Luft, dass es manchmal ganz aus dem Blickfeld verschwand. Sie fuhren durch das Außentor und zwischen zwei Maschendrahtzäunen mit Stacheldrahtkrone bis zur Gefängnismauer, wo sie den Wagen parkten.

Nach der brutalen Hitze draußen war die Sicherheitsüberprüfung in einem kühlen, nüchternen Flur fast eine Wohltat. Als sie zu den Zellen kamen, wurde der Gestank der Gefängnisinsassen intensiver. Man führte sie in einen Raum mit einem hohen, vergitterten Fenster, einem Tisch und vier Stühlen, und sie setzten sich. Zehn Minuten später kam der Gefängnispsychologe herein und stellte sich vor.

Er kannte Sebastián Ortega gut und hielt ihn für harmlos. Der Gefangene sei nicht vollkommen verstummt, spreche aber kaum mehr als das absolut Notwendige. Gleich würde die Krankenschwester eintreffen, damit sie für alle Eventualitäten einschließlich möglicher Gewalttätigkeit vorbereitet waren, obwohl er nicht glaubte, dass es dazu kommen würde.

Zwei Wärter brachten Sebastián Ortega herein, der am Tisch Platz nahm. Falcón hatte vor dem Treffen kein Foto des jungen Mannes gesehen und war deshalb nicht vorbereitet auf dessen atemberaubende Schönheit. Sebastián sah seinem Vater überhaupt nicht ähnlich. Er war 1,85 Meter groß und schlank, mit blonden Haaren und tabakfarbenen Augen, dazu hohe, fragile Wangenknochen, die nicht aussahen, als würden sie der Brutalität des Gefängnisalltags lange standhalten. Mit anmutiger Trägheit nahm er Platz und legte seine feingliedrigen Künstlerhände auf den Tisch, säuberte dann mit den Fingern der einen Hand die Nägel der anderen. Der Gefängnispsychologe stellte sie vor. Sebastián Ortega ließ Alicia nicht aus den Augen und beugte sich nach Beendigung der Vorstellung leicht vor.

»Verzeihung«, sagte er mit einer beinahe mädchenhaften Stimme, »aber sind Sie blind?«

»Ja, das bin ich«, entgegnete sie.

»Das ist eine Behinderung, gegen die ich nichts einzuwenden hätte«, sagte er.

»Warum?«

»Wir glauben zu sehr an das, was unsere Augen uns sagen«, antwortete er. »Sie bereiten uns riesige Enttäuschungen.«

Der Gefängnispsychologe, der neben dem Tisch stand, erklärte, dass Falcón eine Nachricht für Sebastián zu überbringen hatte. Ortega sah ihn nicht an, sondern lehnte sich nickend zurück und ließ seine nervösen Hände auf dem Tisch liegen.

»Es tut mir Leid, Ihnen mitteilen zu müssen, Sebastián, dass Ihr Vater heute früh um drei Uhr gestorben ist«, sagte Falcón. »Er hat sich das Leben genommen.«

Der Junge zeigte keine Reaktion. Mehr als eine Minute verstrich, ohne dass die geringste Regung in seinem schönen Gesicht zu sehen war.

»Haben Sie den Inspector Jefe gehört?«, fragte der Psychologe.

Sebastián nickte einmal und schlug dann den Blick nieder. Die Gefängnisbeamten sahen sich an.

»Haben Sie irgendwelche Fragen an den Inspector Jefe?«, wollte der Psychologe wissen.



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