Die Stunde der Zikaden by Felicitas Mayall

Die Stunde der Zikaden by Felicitas Mayall

Autor:Felicitas Mayall [Mayall, Felicitas]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Tags: Spionage, Belletristik/Krimis, Thriller
Herausgeber: Rowohlt
veröffentlicht: 2012-02-24T13:17:41+00:00


«Im Haus Nummer 10455 DL wohnt Signor Ferruccio! Schon seit fünfzehn Jahren. Er ist Dichter, Alberto Ferruccio! Berühmt, er ist berühmt, Dottore!» Fabrizio nickte heftig.

«Wohnt er allein in dem Haus?» Guerrini stand an seinen Lancia gelehnt.

«Ja, ganz allein. Eine Frau aus Portotrusco kommt jeden Tag und kümmert sich um seinen Haushalt. Kocht, putzt, wäscht und all das.»

«Sonst niemand?»

«Manchmal hat er Besuch. Familie, Kollegen. Aber meistens ist er allein. Er sagt, dass er gern allein ist. Wer’s mag! Für mich wär das nichts, Dottore. Ich hab gern meine Familie um mich und viele Kinder und jede Menge Lärm.» Fabrizio kratzte sich am Ohr und warf einen prüfenden Blick auf Guerrini, der sorgsam zwei lange Piniennadeln von der Kühlerhaube seines Wagens entfernte.

«Warum fragen Sie, Dottore? Haben Sie jemanden gesehen? Irgendwas Verdächtiges? Glauben Sie, dass Ferruccio was mit Orecchios Verschwinden zu tun hat? Aber das kann nicht sein …»

«Nein. Alles ganz harmlos. Wir sahen beim Spaziergang einen alten Mercedes vor dem Haus stehen und fragten uns, wer da wohl wohnt.»

Fabrizio schien von dieser Antwort nicht überzeugt, bewegte unruhig seine Füße, die in schweren Arbeiterstiefeln steckten.

«Na ja, dann», murmelte er und fügte vorwurfsvoll hinzu: «Wir haben noch immer nichts von Orecchio gehört!» Plötzlich schaute er wachsam um sich, bewegte dabei den Hals ruckartig wie ein Vogel und steckte Guerrini einen Zettel zu.

«Das ist die Adresse von Orecchio», flüsterte er. «Seine Mutter wohnt auch in dem Haus. Ich hab es aufgeschrieben für Sie, Dottore. Nur für den Fall, dass Sie ein Commissario sind. Entschuldigung, Dottore. Ich will nicht aufdringlich sein … aber passen Sie auf sich auf und die Signora ebenfalls!»

Guerrini nickte, steckte den Zettel in die Hosentasche und stieg zu Laura in den Wagen.

«Ferruccio wohnt in dem Haus», sagte er grimmig. «Der Dichter Ferruccio. Hast du von ihm gehört?»

«Nicht wirklich.»

«Ich habe ihn nie persönlich kennengelernt. Aber ich habe ein paar seiner Essays und Romane gelesen. Nicht schlecht. Harte Geschichten. Im Zentrum immer: das Ende Italiens! Ferruccio sagt voraus, dass wir von der Mafia verschlungen werden, an Umweltverschmutzung verenden und durch das Fernsehen völlig verblöden. Außerdem sieht er einen neuen Faschismus voraus, weil wir den alten verdrängt haben und nur deshalb eine Regierung wie die heutige gewählt werden konnte.»

«Noch was?»

«Ja, jede Menge! Das Ende der italienischen Kultur und so was wie den endgültigen Untergang des Römischen Reichs.»

«Ist er Toskaner?»

«Ich glaube, warum?»

«Du hast einmal zu mir gesagt, dass alle Toskaner eine depressive Ader hätten und eher an die Hölle als an das Paradies glauben würden.»

«Ah, natürlich glauben sie an das Paradies! Immer dann, wenn sie im Sterben liegen! Bist du ganz sicher, dass der Afrikaner ins Haus von Ferruccio gegangen ist?»

«Nicht hundertprozentig, aber es sah so aus.»

«Ich hätte Fabrizio fragen sollen, ob Ferruccio einen Hund hat.»

«Er hat sicher einen. Schließlich hat einer gebellt, oder?»

«Es hätte auch der Hund der Schweizer sein können. Sie wohnen nicht weit von Ferruccio.»

«Aber zu weit für dieses Bellen.»

«Okay, zu weit für dieses Bellen.» Guerrini steuerte den Wagen auf den Parkplatz am Hafen von Portotrusco und wechselte abrupt das Thema.

«Du wirst es



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