Die stille Bestie by Chris Carter

Die stille Bestie by Chris Carter

Autor:Chris Carter
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2015-09-10T22:00:00+00:00


51

Taylor versuchte mit aller Macht, sich keine Gefühlsregung anmerken zu lassen, und blinzelte die Erinnerungen weg.

»Wie bitte?« Sie legte den Kopf schief, als hätte sie Luciens Frage nicht richtig verstanden.

»Sie waren doch bestimmt schon bei Hunderten von FBI-Einsätzen dabei, Agent Taylor«, sagte Lucien. »Was ich wissen will, ist: Mussten Sie bei einem dieser Einsätze schon mal Ihre Waffe ziehen und jemanden töten, und sei es in ›Notwehr‹?«

Taylor war nicht bereit, mit Lucien die Geschehnisse jener lange zurückliegenden Nacht zu erörtern, zumal sie wusste, dass eine ehrliche Antwort ihn nur dazu anstacheln würde, so lange in der Wunde zu bohren, bis sie wieder anfing zu bluten. Also konzentrierte sie sich auf ihre Atmung, ihren Blick und alles, was sie sonst noch hätte verraten können. Erst dann gab sie ihm ihre Antwort.

»Nein.«

Lucien beobachtete Taylor scharf, doch diesmal ließ ihr Pokerface sie nicht im Stich. Falls irgendetwas ihre Antwort als Lüge entlarvte, so fiel es ihm nicht auf.

»Robert, du?«, gab Lucien die Frage an Hunter weiter. »Lüg mich nicht an.«

Wieder einmal beschlich Hunter das Gefühl, dass Lucien die Antwort bereits kannte.

»Ja«, sagte er. »Leider habe ich schon mehrere Menschen im Dienst getötet.«

»Wie viele?«

Hunter musste nicht lange nachdenken. »Ich habe sechs Menschen erschossen.«

Lucien ließ sich das auf der Zunge zergehen. »Und du hast dabei nie diese grenzenlose Macht verspürt? Du hattest nie das Gefühl, Gott zu sein? Nicht ein einziges Mal?«

»Nein, hatte ich nicht«, sagte Hunter, ohne zu zögern. »Wenn es vermeidbar gewesen wäre, hätte ich es nicht getan.«

Sie starrten einander mehrere Sekunden lang an, als fochten ihre Augen einen erbitterten Kampf aus.

»Susans Leiche, Lucien«, sagte Hunter endlich. »Wo ist sie?«

»Also schön«, sagte Lucien und brach den Blickkontakt ab. Er holte tief Luft. »Wie ich eben schon sagte, Robert, die Hütte in La Honda steht noch. Als an dem Abend die Magie des Augenblicks verflogen war, als das Adrenalinhoch nachließ und ich aufhörte zu zittern, da wurde mir natürlich bewusst, dass ich die Leiche so entsorgen musste, dass niemand sie findet. Aber über das Problem hatte ich mir schon im Voraus Gedanken gemacht. Das war einer von vielen Gründen, weshalb ich die Hütte ausgesucht hatte – sie lag mitten im Wald.« Ein gleichmütiges Schulterzucken. »Allerdings hatte ich vorher keine Ahnung, dass es in dieser Nacht passieren würde«, fügte er hinzu. »Es war ganz bestimmt nicht meine Absicht, als ich das Wohnheim verließ, um mich mit Susan zu treffen. Wie gesagt, es hat sich einfach so ergeben.«

Erneut begann er, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, in seiner Zelle auf und ab zu gehen.

»Also habe ich den Rest der Nacht bis zum Morgen gegraben. Am Ende war die Grube etwa einen Meter zwanzig tief. Vielleicht waren es auch eins fünfzig. Ich hatte vorsichtshalber schon jede Menge Tüten Kaffee gekauft und ein paar Flaschen Puma-Urin.«

Sowohl Hunter als auch Taylor wussten, dass Kaffeepulver den Geruchssinn von Tieren stört und dazu führen kann, dass sie eine aufgenommene Fährte wieder verlieren. Puma-Urin, das man ohne Schwierigkeiten bei verschiedenen Händlern in ganz Amerika beziehen kann, wird vor allem seiner Eigenschaften als Raubtierduft wegen geschätzt.



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