Die Spur des Teufels by Burnside John

Die Spur des Teufels by Burnside John

Autor:Burnside, John [Burnside, John]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Knaus Verlag
veröffentlicht: 2015-04-29T16:00:00+00:00


Das Ende auf dem Rummel

Mrs. Collings starb, während alle im Städtchen Weihnachten feierten. Sie starb allein, wie sie es sich gewünscht hatte, aber – und das ist mein letztes Geheimnis – sie lag nicht so lange tot und unentdeckt in ihrem Haus, wie alle Welt glaubt. Ich hatte beschlossen, ihr nicht länger lästig zu fallen, sobald offensichtlich wurde, dass ihr die Sache mit Malcolm Kennedy zu schaffen machte, doch war mein Entschluss am ersten Tag der Weihnachtsferien ins Wanken geraten, und ich klomm den Hügel hinauf, ein letztes Mal, nur um zu sehen, ob alles in Ordnung war, und um ihr ein Geschenk zu bringen, eine Kleinigkeit ohne sonderlichen Wert und von recht zweifelhaftem Geschmack, die ich im Städtchen gekauft hatte. Ich wollte sie nicht lange aufhalten, wollte nur eine Weile bei ihr sitzen, eine Tasse Tee trinken, ein Stück Kuchen essen, wollte nicht viel sagen und höchstens einige Minuten vergehen lassen, ehe ich mich für immer verabschiedete. Nur machte ich mir da etwas vor, und ich fürchte, ich ahnte es. Was immer ich mir einredete, insgeheim wusste ich, dass ich, als ich an jenem Morgen nach Ceres aufbrach, einer weit ernsteren Versuchung nachgab – der Versuchung nämlich, ein Geständnis abzulegen. Ich hatte mir geschworen, es ihr nie zu sagen, wollte sie aber auch nicht ohne jede Erklärung sterben lassen – also war es, wenn ich jetzt zurückschaue, wohl ein Glück, dass sie bei meinem Eintreffen bereits tot war. Wahrscheinlich war es für uns beide ein Glück. Wäre ich bei Sinnen gewesen und nicht ganz sentimental von all dem Weihnachtsgedusel geworden, hätte ich vermutlich nie daran gedacht, die Katze aus dem Sack zu lassen. Aber vielleicht war auch das bloß reines Wunschdenken.

Es war ein bitterkalter Morgen, Schnee lag in der Luft. An unserem Küstenstrich schneit es nur selten, doch wenn Schnee kommt, fällt er rasch, in Mengen und bleibt lange liegen. Ich war warm eingepackt, dafür hatte meine Mutter gesorgt, als ich ihr sagte, dass ich rausginge. Allerdings hatte ich ihr nicht verraten, wohin ich wollte, hatte ihr auch mein kleines Weihnachtsgeschenk nicht gezeigt – eine mauvefarbene Porzellanrose mit grünlich blassen Blättern –, da es schon eingewickelt und in meiner Tasche vergraben war, zusammen mit einer selbstgemalten Karte, die einen winzigen, mit roten und blauen Kugeln behangenen Weihnachtsbaum zeigte und in einem alten, etwas zerknitterten Umschlag steckte. Das waren meine Gaben. Mein Besuch sollte nichts Besonderes sein, ich wollte die Endgültigkeit nicht betonen, wollte nicht, dass er unwiederholbar oder sonst irgendwie bedeutsam wirkte. Ich wollte einfach nur vorbeischauen und mich dann verabschieden, als wäre es die normalste Sache der Welt. Schon als ich an die Tür klopfte, wusste ich, dass irgendetwas nicht stimmte. Obwohl es fast Mittag war, als ich ankam, brannte im Vorderzimmer Licht, dabei wusste ich, wie sparsam Mrs. Collings mit dem Strom umging. Schuld daran war nicht allein ihr Geiz, es hatte vielmehr mit dem Tageslicht zu tun. Sie mochte kein künstliches Licht, und selbst wenn es dunkel wurde, blieb sie im letzten Grau der Dämmerung sitzen und wartete so lange wie möglich, ehe sie die kleine Lampe am Kamin anmachte.



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