Die Soehne Abrahams by Littell
Autor:Littell
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-03-15T00:00:00+00:00
23
A
own band dem Rabbi die Beine los und führte ihn zum Klo. Dort sah er zu, wie dieser urinierte, brachte ihn zurück zu seinem Stuhl und fesselte ihm erneut die Beine. Dann kam Ephraim an die Reihe. Sobald der Sekretär wieder auf seinem Stuhl saß, zog Aown beiden Geiseln die Kapuzen vom Kopf und gab ihnen eine Tasse Tee mit Keksen, setzte sich auf die Pritsche und schaute ihnen beim Essen zu.
Ephraim flüsterte dem Rabbi zu: »Ich hab irgendwo gelesen, wenn man es schafft, eine persönliche Beziehung zu den Entführern herzustellen, bringen sie es nicht fertig, einen zu töten.« Der Sekretär wandte sich an Aown. »Haben Sie auch einen Namen?« Als der junge Palästinenser nicht antwortete, sagte er. »Ich heiße Ephraim. Ephraim Blumenfeld. Ich bin froh, Sie kennenzulernen. Ich sag das nicht nur so. Ich meine das ehrlich. Ich habe noch nie mit einem lebenden Palästinenser gesprochen. Mit einem toten natürlich auch nicht.« Ephraim deutete mit dem Kinn auf den Rabbi. »Sein Name ist Rabbi Apfulbaum. Rabbi ist nicht sein Vorname. Sein Vorname ist Isaac – ihr würdet ihn Ishaq nennen. Wie alt sind Sie? Ich werde nächsten Monat siebenundzwanzig.« Als Aown weiter hartnäckig schwieg, zermarterte Ephraim sich das Hirn, was er noch sagen konnte, um das Eis zu brechen. »Ich bin eigentlich kein Israeli«, fuhr er fort. »Ich bin Amerikaner. Ich schätze, aus eurer Sicht ist das genauso schlimm. Ich spiele mit dem Gedanken, nach Israel auszuwandern, hab mich aber noch nicht entschlossen. Meine Eltern und meine jüngere Schwester leben auf Long Island. Sie sind nicht gerade begeistert, dass ich vielleicht nach Israel gehe. Sie finden, es sei zu gefährlich. Haben Sie vielleicht schon mal von Long Island gehört? Es ist die größte Insel der kontinentalen USA. Ich vermute, sie heißt Long Island, weil sie wie ein dicker Daumen in den Atlantik ragt. Der Atlantik ist Ihnen sicher auch ein Begriff, oder?«
Der Rabbi sagte: »Es reicht, Ephraim. Ich schätze, er hat nicht vor, in nächster Zeit dorthin zu fahren. Und falls doch, dann höchstens, um eine Bombe in einem Walmart hochgehen zu lassen.«
»Ich dachte nur –«
»Du solltest aufhören zu denken und deinem Verstand ein wenig Ruhe gönnen.«
»Rabbi, ich kann doch meine Gedanken nicht abstellen.«
»Doch, das kannst du, wenn du betest.«
»Worum soll ich beten?«
»Bete zu Gott, er soll dich deinen siebenundzwanzigsten Geburtstag erleben lassen.«
»Rabbi, Sie machen mir Angst, wenn Sie so was sagen.«
»Du machst mir Angst, wenn du mir einen arabischen Namen verpasst.«
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