Die Pharma-Luege by Ben Goldacre

Die Pharma-Luege by Ben Goldacre

Autor:Ben Goldacre [Goldacre, Ben]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3462307339
Herausgeber: EBook by Kiepenheuer&Witsch
veröffentlicht: 2013-08-14T22:00:00+00:00


Windige Untergruppenanalysen

Hat ein Arzneistoff in einer Studie nicht auf ganzer Linie überzeugt, kann man die Daten nach Belieben zerpflücken und prüfen, ob er in einer Untergruppe womöglich besser abgeschnitten hat: Vielleicht wirkt er ja besonders gut bei chinesischen Männern zwischen 65 und 71. Das ist fast so idiotisch wie das Spiel »Viermal Kopf in drei Würfen … viermal Kopf in fünf Würfen …«. Aber es ist an der Tagesordnung.

Wir kehren in diesem Kapitel immer wieder zu demselben Prinzip zurück: Wenn jemand die Zahl der Anläufe erhöht, die angewendeten statistischen Verfahren aber vermuten lassen, dass er nur einen Anlauf genommen hat, erhöht er seine Chance auf das erwünschte Resultat erheblich. Wer die Münze nur oft genug wirft, hat irgendwann viermal Kopf hintereinander.

Eine neue Methode ist die Untergruppenanalyse. Der Trick ist einfach: Wir haben unsere Studie beendet, und das Ergebnis war negativ, denn es erbrachte keine Unterschiede: Den Patienten mit Placebo erging es nicht anders als denen, die unser neues Medikament erhalten haben. Unsere Arznei funktioniert nicht. Das ist die schlechte Nachricht. Doch dann buddeln wir noch ein bisschen, führen ein paar Analysen durch und stellen fest, dass hispanische männliche Nichtraucher zwischen 55 und 70 hervorragend auf das Medikament angesprochen haben.

Wenn die Problematik nicht auf Anhieb klar ist, müssen wir noch einen Schritt zurückgehen zur Zufallsvariation, die in den Daten jeder Studie auftritt. Sagen wir, unser Medikament soll während der Studiendauer den Tod verhindern. Wir wissen, dass der Tod alle möglichen Ursachen haben kann, häufig in geradezu beliebigen Augenblicken auftritt und – so grausam es ist – mit unserem Wissen über die menschliche Gesundheit nicht hundertprozentig vorhersehbar ist. Wenn wir eine Studie durchführen, hoffen wir, dass unser Arzneimittel einige dieser zufälligen und unvorhersehbaren Todesfälle aufschieben kann (allerdings nicht alle, denn kein Medikament wirkt gegen alle Todesursachen!) und dass diese Veränderung in der Mortalität feststellbar ist, sofern die Probandengruppe groß genug ist.

Kreisen wir nun nach Studienende die Gruppe der Verstorbenen oder die der Überlebenden ein, können wir nicht so tun, als sei das eine willkürlich gewählte Untergruppe.

Falls Sie sich immer noch fragen, was daran problematisch ist, stellen Sie sich einen englischen Christmas-Pudding vor, in dem willkürlich Münzen verteilt wurden. Wir wollen wissen, wie viele Münzen insgesamt darin enthalten sind, und nehmen uns daher ein beliebiges Stückchen, sagen wir ein Zehntel, zählen die Münzen, multiplizieren mit 10 und haben so eine Schätzung der Gesamtzahl an Münzen. Das ist eine vernünftige Studie mit einer vernünftigen Stichprobe, ohne dass wir geahnt haben, wo genau die Münzen waren. Wenn wir nun den Pudding röntgen, sehen wir, dass an einigen Stellen durch Zufall mehr Münzen sind als an anderen. Und wenn wir sehr sorgfältig schneiden, erhalten wir ein Stück von dem Pudding, in dem mehr Münzen sind als in der ersten, sinnvollen Probe. Wenn wir nun die Münzen dieser neuen Probe mit 10 multiplizieren, suggeriert das Ergebnis, dass sich in dem Pudding viel mehr Münzen befinden. Das liegt aber nur daran, dass wir geschummelt haben. Die Münzen sind immer noch willkürlich im Pudding verteilt. Das Stückchen, das wir nach dem Röntgen herausgepickt haben, sagt nichts mehr darüber aus, was wirklich drin ist.



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