Die Musik der Stille by Rothfuss Patrick

Die Musik der Stille by Rothfuss Patrick

Autor:Rothfuss, Patrick [Rothfuss, Patrick]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Klett-Cotta
veröffentlicht: 2015-02-22T05:00:00+00:00


Ganz flackerös und mit Spinnweben beklebt, ging Auri in die Bäckerei. Die hatte heute gar nichts Ofenöses, sondern hockte mürrisch da wie irgendein vergessener Kiln.

Sie passierte die durchhängenden Rohrleitungen, bog dann einmal und noch einmal ab und gelangte schließlich zu der kleinen Ziegelstein-Nische, die so ideal dafür geeignet war, dass ihr Seifen-Vorrat dort vor sich hin reifte. Nicht heiß, aber trocken. Und –

Da war keine Seife. Ihre Seife war weg.

Aber nein. Es war das unruhige Licht ihrer Spirituslampe, das sie täuschte. Ganz seltsam und gelb. Es warf überallhin Schatten. Es änderte das Unterding. Man konnte ihm nicht trauen. Das hier war offensichtlich eine andere kleine Ziegelstein-Nische, die eben leer war.

Auri machte kehrt und folgte ihren Fußspuren nach Gluten zurück. Dann ging sie erneut los und zählte dabei die Abbiegungen, die sie nahm. Links, dann rechts. Links, dann links, dann rechts.

Nein. Das hier war die Bäckerei. Das hier war ihre Nische. Dort aber lag nichts. Kein Leinensack. Keine sorgsam gefertigten Stücke vollkommener Sommerseife. Trotz des schummrig roten Lichts an diesem Ort bekam Auri ein eiskaltes Gefühl im Bauch. War jemand in ihrem Unterding? Räumte hier jemand Dinge hin und her? Brachte jemand in Unordnung, was sie in jahrelanger harter Arbeit geordnet hatte?

Den Tränen nah und innerlich schon ganz aufgelöst blickte sie sich um, spähte um Ecken und leuchtete mit ihrer Lampe ins Halbdunkel. Keine vier Meter entfernt fand sie ihren Leinensack – zerfetzt. Der Duft ihrer lieblichen Cinnas-Seife mischte sich mit Moschusaroma und Uringestank. Ein winziges Fellbüschel haftete dort, wo irgendein kleines Klettertier sich an einem vorragenden Ziegelstein entlanggeschubbert hatte.

Auri stand da. Mit verfitzten, verklebten Haaren. Ihr kleines Gesicht wirkte erst wie betäubt in dem flackerösen Gelb. Dann verzog sich ihr Mund vor Zorn. Ihre Augen blickten streng. Irgendein Ding hatte ihre ganze schöne Seife aufgefressen.

Sie ergriff das Fellbüschel mit zwei Fingern. Diese Bewegung war so übervoll von Zorn, dass sie fast fürchtete, mit einem Fingerschnippen die Welt entzweizureißen. Acht Stück Seife. Genug für den ganzen Winter. Irgendein Ding hatte die ganze vollkommene Seife, die sie gemacht hatte, aufgefressen. Dieses Ding wagte es, hierher zu kommen, an den idealen Lagerort für Seife, und alles aufzufressen.

Sie stampfte mit dem Fuß auf. Sie hoffte, das gefräßige Ding hatte eine ganze Spanne lang Dünnpfiff. Sie hoffte, es würde sich selbst ausscheißen, sein komplettes Inneres, dann in irgendeine Ritze rutschen, seines Namens verlustig gehen und als einsame, leere Hülle in der Dunkelheit verrecken.

Sie schleuderte das Fellbüschel zu Boden. Sie versuchte sich mit den Fingern durchs Haar zu fahren, blieb aber darin stecken, so verklebt war es. Eine Sekunde lang standen ihr Tränen in den Augen, doch sie blinzelte sie weg.

Erhitzt von der Bäckerei und schweißnass vor Zorn und der Ungerechtigkeit all dessen, machte Auri kehrt und stürmte davon, und ihre nackten Füße patschten wütend über die Steine.



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