Die Medlevinger by Kirsten Boie

Die Medlevinger by Kirsten Boie

Autor:Kirsten Boie [Boie, Kirsten]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783862740901
Herausgeber: Oetinger E-Books
veröffentlicht: 2014-03-23T16:00:00+00:00


Nis war aufgeregt gewesen, als er unsichtbar auf die Straße getreten war. Er presste sich fest gegen die Hauswand und beobachtete, wie die beiden Männer ihre Platten schulterten, um sie in den Keller zu tragen. Manchmal streifte ihn ihr Blick, aber er sah sofort, dass sie ihn nicht bemerkten. Ein unglaubliches Glücksgefühl stieg in ihm auf.

Ich bin unsichtbar!, dachte Nis. Ich kann gehen, wohin ich möchte, und tun, was ich möchte, und niemand wird mich jemals wieder bemerken, außer wenn ich selber es will. Es ist, wie Moa gesagt hat, ich kann sie belauschen und ich kann sie verfolgen, und sie werden es niemals merken. Wenn wir erst wüssten, wer Vedur und Antak gefangen hält, könnte ich ihn beschatten. Meine Fibel und mein Wort sind die wertvollsten Waffen, die ein Junge besitzen kann.

Die Männer verschwanden im Haus, und gleich danach kam ein Mädchen die Straße entlang und drückte auf einen Knopf neben der Tür. Vielleicht besucht sie Johannes, dachte Nis. So alt wie er ist sie ja ungefähr. So alt wie Johannes und Moa und ich. Und jetzt sitzen sie alle drei oben bei Johannes im Zimmer und unterhalten sich miteinander.

Nis lachte leise. Warum sollte er die drei nicht auch beobachten, ohne dass sie es merkten? Hinterher würde er ihnen alles erzählen, was sie getan hatten. Jede Wette ärgert Moa sich dann schwarz, dachte Nis zufrieden. Die alte Rechthaberin.

Er ging ganz dicht an den Wagen heran und zog sich an einem der beiden hinteren Räder nach oben. Es war unglaublich, was für Räder die Wagen der Menschen hatten, das war ihm in der Stadt schon aufgefallen. Dick und aus hartem, schwarzem Gummi, in dessen Rillen Hände und Füße eines Medlevingers leicht Halt finden konnten. Nicht solche dünnen Räder aus Holz mit Speichen und außen einem Reif aus Metall, wie jeder im Land sie benutzte. Bestimmt fuhr man in den Menschenwagen weich wie in Abrahams Schoß. Kein Schlagloch auf dem Weg und kein Stein konnte so ein Gefährt ins Rumpeln bringen, und dass ein Rad brach, geschah bestimmt auch nur selten.

Über dem Reifen sprang ein Blech vor wie ein Dach, und von dort konnte Nis sich mit Mühe nach oben auf die Pritsche ziehen. Die hintere Klappe hing nach unten und schaukelte ein bisschen.

Er hatte sich kaum auf dem Wagen umgesehen, da kamen die Männer wieder aus dem Haus.

»Na bitte, nur noch einmal!«, sagte der Ältere der beiden, der Nis an den Wegepfleger zu Hause erinnerte, weil er genauso nach berauschenden Getränken roch. »Dann ist es geschafft!«

Der Jüngere sprang auf die Pritsche und reichte ihm die letzten Platten nach unten, und Nis presste sich fest in die entfernteste Ecke. Aber er wusste sowieso, dass sie ihn nicht sahen.

Sobald sie im Haus verschwunden waren, zog Nis sich am Seitenrand der Pritsche hoch und guckte zum Haus hinüber. So, liebe Moa, dachte er vergnügt.

Durch das geschlossene Fenster sah er Johannes in seinem Zimmer auf dem Bett sitzen und mit dem Mädchen reden, das eben ins Haus gegangen war. Also hatte er Recht gehabt, sie war ein Besuch für Johannes.



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