Die letzten Tage von Hongkong by John Burdett

Die letzten Tage von Hongkong by John Burdett

Autor:John Burdett
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2010-12-01T23:00:00+00:00


DREISSIG

Niemand machte sich große Gedanken darüber, wenn Handlanger der Triaden sich gegenseitig umbrachten. Wahrscheinlich, dachte Chan, war da so etwas wie Selbstregulierung am Werk, wie bei den Ratten. Wenn jemand Buch darüber geführt hätte, wie viele Mitglieder die Triaden in Mongkok jeweils hatten, hätte man ziemlich genau sagen können, wann es so viele waren, daß ein Ausleseprozeß einsetzen mußte.

Chan kam gerade rechtzeitig, um seinem Assistenten dabei zuzusehen, wie dieser eine Kreidelinie um die Leiche zeichnete.

»Klassisch«, sagte Aston.

Die Leiche lag, Gesicht nach oben, auf einem kleinen, betonierten Kinderspielplatz zwischen Oak, Anchor und Palm Street. Shorts und T-Shirt waren zerrissen, eine Schaukel schwang über den Plastiksandalen des Mannes hin und her. Das Blut war aus einer Wunde an der Halsschlagader gespritzt. Der Chinese war etwa dreißig Jahre alt gewesen, ein harter Mann, der, ohne auf Erbarmen zu hoffen, gegen den Tod gekämpft hatte. An den Unterarmen des Opfers hatte Aston einige obskure Zeichen der 14K gefunden. An dem Drahtzaun, der den Platz umgab, hielten Uniformierte eine kleine Menge Schaulustiger zurück. Chan ließ den Blick über den Platz mit den Schaukeln und der Wippe schweifen. Aston beobachtete ihn voller Stolz. Niemand kannte sich bei den Triaden besser aus als der Chief.

Chan beugte sich über die Leiche und winkte den Engländer herbei.

»Was meinen Sie, was sind das für Spuren?«

Aston betrachtete Shorts und T-Shirt, ohne sie zu berühren.

»Die sind nicht von einem Messer. Und es sind auch keine richtigen Risse.«

»Genau.«

»Der Stoff ist an den Stellen, an denen er gerissen ist, ziemlich abgetragen.« Er wurde ganz aufgeregt. »Das schaut so aus wie bei jemandem, den man aus dem Auto geworfen hat.« Er sah sich auf dem Platz um. »Aber hier hätten sie keinen Wagen reingebracht.«

»Stimmt. Und so durchgewetzt ist der Stoff auch wieder nicht. Sieht fast so aus, als wäre der Mann mehr als einmal auf den Beton gefallen.«

»Also haben sie ihn ein bißchen rumgeschleift?«

»Genau. Haben Sie die Bierdosen gesehen?«

»Bierdosen?« Aston rieb sich die Schläfen. »Was für Bierdosen denn, Sherlock?«

Chan hob den Blick nicht von der Leiche. In seinem Beruf ergab sich so selten die Gelegenheit, die Ermittlungen in einem Fall wie im Kino zu führen, so daß man es genießen mußte, wenn es tatsächlich einmal passierte.

»Drüben bei den Schaukeln, Watson. Und beim Zaun. Und ungefähr fünf Meter hinter Ihrem linken Fuß liegt auch eine.«

Aston sah sich noch einmal um. »Na schön, Bierdosen. Carlsberg und Tsing Tao. Sie sind alle zusammengedrückt und verbogen, also nehme ich an, daß sie leer sind. Und?«

»Und Zigarettenstummel. Die haben Sie doch hoffentlich auch gesehen?«

Aston sah sich noch einmal um. »Na schön, es liegen überall Zigarettenstummel rum. Ich habe sie schon gesehen, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie die uns weiterhelfen sollen. Schließlich ist das hier ein öffentlicher Platz. In der Nacht kommen alle möglichen Leute hierher.«

»Aber schauen Sie doch. Die Stummel häufen sich an gewissen Stellen.«

Aston ging auf dem kleinen Platz herum. »Ja, hauptsächlich an den Rändern. Und?«

Chan deutete auf die Leiche. »Und jetzt sagen Sie mir etwas über die blauen Flecken.«

Astons Gesicht hellte sich auf. »Das hab’ ich mir aufgeschrieben.



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