Die letzte Fahrt des legendären Schiffsfrisörs Sigismund Skrik (German Edition) by Karsten Flohr

Die letzte Fahrt des legendären Schiffsfrisörs Sigismund Skrik (German Edition) by Karsten Flohr

Autor:Karsten Flohr [Flohr, Karsten]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Amazon Publishing
veröffentlicht: 2015-05-30T16:00:00+00:00


13.

KOCHEN KÖNNEN SIE HIER, DAS MUSS MAN SAGEN

Lydia zu Bärenbaums verändertes Erscheinungsbild blieb nicht folgenlos in der Garnisonsstadt. Zweiundfünfzig Offiziersgattinnen lebten hier, und natürlich kannten sie sich alle untereinander. Denn es gab nichts für sie zu tun, außer sich reihum zum Canasta zu treffen, bevor sie sich abends zu ihren Villen zurückkutschieren ließen, um ihre Gatten zu erwarten, sofern diese Kasernen-Ausgang hatten. In Zeiten von Manövern oder sonstigen Ausnahmezuständen gab es nicht einmal diese Abwechslung. Schon eine kleine Abweichung vom Alltäglichen war ihnen daher willkommen – und Lydia zu Bärenbaums Haarkreation war eine große Abweichung, eine so gewaltige, wie ich es nicht ahnen konnte, als ich sie erschuf.

Die erste Reaktion erfolgte früh am nächsten Morgen, als General zu Bärenbaum meine Kammer betrat. Allein dieser Umstand war außergewöhnlich, der Kommandant betrat nie irgendjemandes Raum – er ließ rufen. Erregt schritt er auf und ab. »Skrik!«, rief er, »ich stehe in deiner Schuld bis zu meinem letzten Atemzug. Lydia – sie spricht nur noch von dir, Skrik! Und sie hat mich erhört, unser Geschlecht wird fortbestehen. Dir ist diese glückliche Wendung zu verdanken!« Er zog mich mit einem heftigen Ruck an seine Brust und verließ anschließend zügig meinen Raum. Ich sah trotzdem, dass er Tränen in den Augen hatte.

Tränen flossen reichlich in den nächsten Tagen, nämlich immer dann, wenn ich einer der Damen einen gewünschten Termin verwehren musste, weil andere bereits vor ihnen um einen solchen ersucht hatten. In kürzester Zeit war mein Terminkalender für zwei Monate im Voraus ausgebucht. Ich arbeitete wie im Rausch, die Tage vergingen im Flug.

Und dann wurden auch die Nächte in meine Tätigkeit einbezogen.

Ich wusste nichts Genaues darüber, aber es war mir nicht entgangen, dass in der Kaserne Hinrichtungen vorgenommen wurden, meist im Morgengrauen. Die Gewehrsalven hatten mich schon des Öfteren aus dem Schlaf gerissen, und anschließend sah ich ein Fuhrwerk mit einem Sarg den Kasernenhof verlassen, dem ein Priester mit gesenktem Haupt folgte. Ein Leutnant eröffnete mir eines Tages, der Kommandant habe entschieden, dass ich künftig den Delinquenten am Abend vor ihrer Hinrichtung den letzten Haarschnitt verabreichen solle. Der Mann, dem diese Aufgabe bisher oblag, ein Hufschmied aus dem Dorf, sei verstorben. Man müsse leider sagen, dass nicht wenige Verurteilte mit seinen Fertigkeiten unzufrieden gewesen seien, und da der letzte Haarschnitt schließlich derjenige sei, mit dem man dereinst vor das Jüngste Gericht trete, sei es nur angemessen, hier einen Könner ans Werk zu lassen.

Mein erster Verurteilter wartete schon am nächsten Abend auf mich. Ich wurde zu seiner Zelle geführt, als Bedienstete gerade die Teller, auf denen ihm seine Henkersmahlzeit serviert wurde, hineintrugen.

Der Mann saß am Tisch und biss herzhaft in eine Putenkeule. »Setz dich«, sagte er und deutete auf seine Schlafpritsche. »Du wirst einen Augenblick warten müssen.« Es sei eine ganz schlechte Koordination dieser Leute hier, das Essen und den Frisör gleichzeitig hereinzuschicken. Wie solle denn das gehen? Wenn ich ihn jetzt frisierte, würde sein Essen kalt, und wenn ich ihn frisierte, während er esse, würden die Haare ins Essen fallen. Das sei doch alles vollkommen undurchdacht!

Ich stimmte zu und stellte mich ihm vor.



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