Die Landkarte des Himmels by Palma Félix J

Die Landkarte des Himmels by Palma Félix J

Autor:Palma, Félix J. [Palma, Félix J.]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 978-3-644-30841-1
Herausgeber: Rowohlt Digitalbuch
veröffentlicht: 2012-09-05T22:00:00+00:00


Pastor Gerome Brenner, der einer kleinen Gemeinde in Marylebone vorstand, betrachtete sich aufmerksam im Spiegel der Sakristei. Er hatte sich gründlich rasiert, großzügig mit Rasierwasser eingerieben und das widerspenstige, graumelierte Haar gebürstet, das Kollar millimetergenau angelegt und die Soutane gebügelt; das alles mit bedächtigen, gemessenen Bewegungen wie bei einer Liturgie, für die es keinen anderen Anlass gab als die Feierlichkeit des Augenblicks. Erleichtert stellte er fest, dass die Furchen, die sich durch die dürre Landschaft seines Gesichts zogen, ihm ein eher würdiges als hinfälliges Aussehen verliehen; und wenn sein Körper auch klein und unansehnlich war, so strahlten seine Augen doch in einem tiefen, eindringlichen Blau, das von seinen Pfarrkindern allgemein und den Damen besonders bewundert wurde. «Sie tragen den Himmel, den Sie predigen, in Ihren Augen, Herr Pastor», hatte einmal eine Dame nach der Messe zu ihm gesagt, nicht ahnend, dass seinen Himmel Kreaturen bevölkerten, die alles andere als göttlich waren, so sehr er sich manchmal auch wünschte, seine Rasse wäre die Gottheit, zu der die Menschen beteten. Denn wenn dem so wäre, würden sie die Menschheit nicht ausrotten, dachte er bekümmert. Er fuhr sich ein letztes Mal durchs Haar und hoffte, sein Aussehen möge dem Gesandten wohlgefällig sein.

«Guten Abend, Vater Brenner. Oder möchten Sie endlich mal wieder mit dem alten Namen Ihrer ursprünglichen Herkunft angesprochen werden?»

Die Stimme kam von der Sakristeitür, wo er einen schmächtigen Mann stehen sah, der ihn – die Hände in den Hosentaschen – aufmerksam musterte. Das Äußere, das der Gesandte sich ausgesucht hatte, verunsicherte ihn; nicht weil er ihn sich stattlicher vorgestellt hatte, sondern weil es ein Äußeres war, das jeder gebildete Leser, wie er selbst einer war, leicht erkennen konnte.

«Ich muss gestehen, Sir, fünf Generationen, nachdem die ersten Kolonisten sich hier auf der Erde niedergelassen haben, benutzen wir die Sprache der Erdbewohner und die irdischen Namen sogar, wenn wir unter uns sind. Ich fürchte, wenn der glückliche Augenblick kommt, werden wir Schwierigkeiten haben, uns wieder an die geliebte Muttersprache zu gewöhnen, obwohl wir sie Generation für Generation feierlich an unsere Kinder weitergegeben haben, genau wie das alte Wissen unserer Väter», antwortete der Pastor.

Ich muss Sie noch drauf hinweisen, dass Pastor Brenner diese Worte nicht nur mit gesenktem Kopf und über dem Scheitel zu einem Dreieck zusammengelegten Händen sprach, was die überlieferte Haltung seiner Rasse war, um Respekt zu bezeugen. Er sprach seine Worte auch in der alten Muttersprache, weshalb einem Erdenbewohner, der die Unterhaltung vielleicht zufällig belauscht hätte, nicht mehr zu Ohren gekommen wäre als ein wirres Konzert von Krächzen, Pfeifen und Seufzen, das ich aus Sorge um Ihr Gehör hier nicht nachmachen will.

«Ich merke, wie schwer es für die menschlichen Stimmbänder ist, unsere Sprache nachzuahmen, Vater», sagte der Gesandte großmütig. «Wenn es Ihnen recht ist, unterhalten wir uns in der Sprache der Irdischen; in ihr werde ich dann auch unsere Brüder willkommen heißen.»

«Vielen Dank für Ihr Verständnis, Sir», antwortete der Pastor und konnte nicht verhindern, dass Rührung und auch ein wenig Furcht in seiner Stimme mitschwangen. Er straffte sich und ging dem Gesandten



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