Die Landgeherin by Hans Haid

Die Landgeherin by Hans Haid

Autor:Hans Haid [Haid, Hans]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: HAYMONVerlag
veröffentlicht: 2015-05-03T16:00:00+00:00


IX

Kinder und Eltern sind zu großen Opfern

fähig, aber keine Anzeichen von Zärtlichkeit.

Selten, daß man sich umarmt. Das tun nur

junge Verliebte: Diese Affenliebe

Eltern-Kind gibt es nicht ...

Wenn Ana jetzt zur wundertätigen Madonna zuhinterst im Tal unter den großen Gletschern gelangen will, muss sie zuerst der wilden Schlucht ausweichen, muss also den beschwerlichen Steig über die höchsten Sonnenberghöfe gehen und muss dann wieder absteigen. Wenn das Wetter jetzt umschlägt, kann auch wieder Schnee kommen und kann der Winter zumindest für einige Tage hereinbrechen, und dann müsste sie einen Platz finden, wo sie nächtigen kann. Ana ist heute zuversichtlich und frohgestimmt. Bald nähert sie sich den ersten Berghöfen des Sonnenberges. Alles trocken und steil, unsäglich steil und voller Wermut.

Alles riecht nach Wermut. Sie reißt ein Büschel aus und hält es an die Nase, reibt Endspitzen zwischen den Fingern, schleckt die Finger ab, hat einen überaus derben Geschmack in ihrem Mund, muss ausspucken, immer wieder ausspucken. Das Heilkraut verbreitet einen betörenden Geruch. Dass ihr beinahe schlecht wird, dass sie sich niedersetzen muss. An einem Wegmarterl liest sie, es habe sich ein Bub beim Zusammenklauben von Zapfen zu Tode gestürzt. Beim Walmtaler kehrt sie ein.

Sie wird reserviert, aber freundlich aufgenommen. Ob sie denn mit den Hühnern umgehen könne. Und mit den Schafen. Vor allem mit den Schafen. Sie könne die Schafe auf den steilen Hängen suchen und ihnen Salz bringen. Wenn sie sich trauen würde. Ganz ohne Weg und Steg müsse sie auf den steilen und rutschigen Hängen den Schafen nachgehen. Es müssten zwei Mutterschafe gelämmert haben. Sie solle nachschauen. Aber sie müsse wissen, dass sich Muttertiere, wenn sie geworfen haben, ja, so sagen die Leute, „geworfen“, dann müsse sie Acht geben wegen der schwarzen Raben und sie müsse auch schauen, ob der Fuchs unterwegs sei.

Das Mutterschaf wird, wenn es gelämmert hat, am ersten Tag sehr schwach sein. Aber am zweiten Tag wird es die geworfenen Junglämmer schützen. Ja, gegen alles Fremde schützen. Auch gegen Fremde, gegen Hoffremde. Also soll sie Acht geben. Am Abend gibt es heute feiste Schnalsernudeln. Da muss sie vorher fest gearbeitet haben und muss mehrmals den steilen Hang mit großer Mühe auf- und abgegangen sein. Sie müsse sehr müde und sozusagen auch abgeschunden sein. Dann wird sie die feisten, die sehr fetten, die überaus fetten Nudeln vertragen. Sie sei ja ein gesundes Ding und müsse Hunger haben.

Ana geht steil bergauf bis zum großen Wald. Sie horcht nach den Glocken der Schafe. Sie keucht und plagt sich. Dort liegen die Schafe im Schatten der Bäume. Ihre Schellen sind verstummt, weil sie dort ruhen, eng aneinandergedrängt. Ana hat es gerochen.

Ana hat einen vom Landgeherleben geschärften Sinn. Fast einen sechsten Sinn wie ihre Mutter. Den will sie auch haben.

Zwei Mutterschafe haben geworfen. Drei gesunde Lämmer. Ana kann sich kaum vor der Herde erwehren. Alle drängen zu ihr, werfen sie fast um, wollen sich immer näher an sie drängen. Sie wittern schon längst, dass jemand mit Salz und Gleck gekommen ist. Ana weiß sich zu helfen. Schnell streut sie hintereinander auf mehrere glatte, große Steine Salz und Gleck und die Schafe rennen von Stein zu Stein, stoßen und rempeln.



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