Die kleine Souvenirverkauferin by Francois Lelord

Die kleine Souvenirverkauferin by Francois Lelord

Autor:Francois Lelord [Lelord, Francois]
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2012-06-11T19:11:31+00:00


Er stellte sein Auto gut sichtbar an der Avenue Ly Thai Tho ab, die am Seeufer entlangführte. Der Wächter, dem er etwas Geld gegeben hatte, damit er es im Auge behielt (aber wer würde sich schon an einem Diplomatenwagen vergreifen?), sah ihm mit einer ganz neuen Art von Respekt nach, und Juliens Ansehen in diesem Stadtviertel würde insgesamt bestimmt ein wenig steigen. Er ging ins Haus, um sich einen Pullover zu holen, denn es war nicht mehr kühl, sondern eindeutig kalt, und bald darauf saß er an seinem Lieblingstisch neben dem Pavillon, um den späten Nachmittag noch zu genießen.

Er fühlte sich wie im Urlaub – keine Sprechstunden, keine Sitzungen –, und dieses so gegenwärtige Vergnügen war stärker als der Gedanke daran, sich womöglich mit einem tödlichen Virus angesteckt zu haben. Jenseits des Sees hatte sich gerade die Beleuchtung der viereckigen Postuhr eingeschaltet, der Himmel begann dämmerblau zu werden, und ein paar Radfahrer fuhren schon mit Licht, und schwebten so am gegenüberliegenden Ufer wie Glühwürmchen.

»Ich wusste doch, dass ich Sie hier treffen würde.«

Es war Brunet, der einen Militärparka trug und ein Tuch umgebunden hatte, das ihm ein beinahe elegantes Aussehen verlieh.

»Haben Sie keine Angst, sich das Virus einzufangen?«

Brunet grinste: »Ach wissen Sie, ich habe schon eine Kranke ohne Schutzvorkehrungen berührt, da sage ich mir …«

»Und wenn es nun eine lange Inkubationszeit gibt?«

»Nach dem zu urteilen, was in der Klinik los ist, scheint sie nicht besonders lang zu sein.«

Julien hatte vorhin im Krankenhaus vorbeischauen wollen, um sich bei Professor Ðặng zu bedanken, doch auch hier waren ihm die Türen verschlossen geblieben, wenngleich aus dem umgekehrten Grund. Eine ganze Abteilung des Krankenhauses war gesperrt worden, niemand durfte hinein oder heraus. Wenigstens am Telefon hatten sie miteinander sprechen können. Die Nachrichten aus Bà Giang waren beruhigend, während es aus der Klinik unheilvolle Neuigkeiten gab. »Bis bald, lieber Freund«, hatte Ðặng am Ende gesagt, und es hatte wie eine Gewissheit geklungen, obwohl sie beide wussten, dass hier gar nichts sicher war.

»Und Sie? Sie haben dort in den Bergen doch gut aufgepasst, oder?«

Ganz geheuer war es Brunet also trotzdem nicht.

»Ja, ich war so vorsichtig wie möglich.«

Er schilderte Brunet die ganze Expedition und sagte schließlich: »Wenn Sie wollen, gebe ich Ihnen das alles noch einmal schriftlich.«

»Machen Sie sich keine Umstände«, meinte Brunet, »ich melde das schon weiter.«

Er zog ein Notizbuch aus der Tasche und schrieb sich ein paar Dinge auf: die Zahl der Erkrankungen, die Menge der Blutproben … Sicher wollte er einen Bericht abfassen, unter dem sein eigener Name stand.

»Hat man Ihnen denn erlaubt, in meine Nähe zu kommen?«

»Erlaubt nicht, aber auch nicht verboten. Die Weisungen sind alle aus Paris. Die dortige Abteilungsleiterin für Asien ist für ihre Mikrobenphobie bekannt. Sie hat beim Außenminister und im Gesundheitsministerium ein Mordsdrama gemacht. Und da haben sie uns eben ihre Anweisungen geschickt. Ich soll Ihnen vom Botschafter ausrichten, dass es ihm schrecklich leidtut.«

»Ja, ich habe seinen Brief schon gelesen. Und was wird mit meiner Sprechstunde?«

»Nächste Woche kommt ein anderer Arzt aus Paris.«

In diesem Moment erblickte Brunet den Botschaftswagen. Ein paar Vietnamesen waren davor stehen geblieben, um ihn aus der Nähe zu betrachten.



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