Die Jungfrau im Lavendel by Danella Utta

Die Jungfrau im Lavendel by Danella Utta

Autor:Danella Utta [Utta, Danella]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-04-17T16:00:00+00:00


Alain

Alain schlief nicht lange. Er war daran gewöhnt, kurz und konzentriert zu schlafen und beim geringsten Geräusch auf den Beinen zu sein.

Heute störte ihn nichts, doch nach vier Stunden wachte er auf, erfrischt und erholt. Er blickte sich um, verspürte eine leise Wehmut. Hier hatte sein Vater geschlafen; der Raum war nur mit dem Nötigsten eingerichtet, das Lager schmal und hart. Während des Krieges zog er sich nur hierher zurück, wenn mindestens zwei Mann draußen waren, um Wache zu halten. Sehr oft waren sie nicht hier gewesen, sie verfügten noch über andere Verstecke. Die Ferme bedeutete immer eine gewisse Gefahr, gerade weil sie so am Ende eines Weges lag, in einem Winkel gewissermaßen, von wo aus man nur noch die Wahl hatte, in unwegsame Berge zu fliehen oder in einen Abgrund zu springen. Sie aber mußten beweglich sein, gut motorisiert vor allem, auch in der Lage, unauffällig Verpflegung herbeizuschaffen, in all diesen Punkten war die Ferme unbrauchbar. Trotzdem hegte sein Vater eine gewisse Liebe zu diesem Ort. Einmal hatte er gesagt: »Wie ein Fuchs in seinem Bau, so kann man sich hier verkriechen. Aber genauso wie der Fuchs in seinem Bau leicht ausgeräuchert werden.«

Hier hatten sie das zweite Attentat auf de Gaulle geplant, bei dem sein Vater ums Leben kam und er selbst gefangen wurde. Da war es sowieso schon zu spät, Algerien war für sie verloren. In den Jahren, die vergangen waren, hatte Alain einiges dazugelernt. Er begriff nun, daß die Entkolonisierung nicht aufzuhalten war, das betraf ja nicht Frankreich allein, es ging allen Großmächten so, die im Jahrhundert zuvor ihre Macht und ihren Reichtum durch Kolonien vermehrt hatten. Und das, was sie für diese zurückgebliebenen Länder geleistet hatten, alles, wovon sie meinten, es müsse anerkannt werden – Bildung, Schulen, Krankenhäuser, Studienmöglichkeit für begabte junge Leute der beherrschten Völker –, all das galt nun nicht mehr, diese Völker wollten frei sein, arm, unentwickelt, in ihre eigenen Kämpfe verstrickt, so wie es ja überall gekommen war, aber dabei vor allem eins: frei.

Es war seltsam, Frankreich hatte Tunesien und Marokko ohne Zögern in die Freiheit entlassen, nur Algerien, davon wollte man sich nicht trennen. Immer wieder die hartnäckige Behauptung: Algerien ist keine Kolonie, es ist ein Teil Frankreichs. Gewiß lebten die Franzosen so zahlreich in diesem Land, oft schon seit Generationen, wie in keinem anderen Kolonialland, sie fühlten sich heimisch, sie hatten Besitz, den sie in harter Arbeit aufgebaut und entwickelt hatten, aber Tatsache war, daß die einheimische Bevölkerung einer anderen Rasse angehörte, es waren Araber und Berber, und eine andere Religion besaß, sie waren Moslems. Weder mit Geduld, noch mit Vernunft, noch mit gutem Willen und auch nicht durch den Wundertäter Zeit ließ sich die Kluft überbrücken. Immer nur wieder durch Herrschaft, Gewalt, Strafe konnte dieses riesige Land geführt werden. Widerstand gegen die Herren aus Frankreich hatte es immer gegeben, von Anfang an, und er war jeweils nach den Weltkriegen, vor allem nach dem Zweiten, gewaltig gewachsen, genährt nicht zuletzt vom Geist der Zeit, der gebieterisch das Ende jeder Kolonisation verlangte.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.