Die Insel der verlorenen Kinder by Jennifer McMahon

Die Insel der verlorenen Kinder by Jennifer McMahon

Autor:Jennifer McMahon
Die sprache: de
Format: mobi
Tags: Spionage, Belletristik/Krimis, Thriller
Herausgeber: rowohlt
veröffentlicht: 2012-01-15T16:14:21+00:00


Rhonda war ihrem Vater die ganze Zeit aus dem Weg gegangen und hatte das Stück als Vorwand benutzt, um so viel wie möglich von zu Hause wegzubleiben. Zum Essen kam sie nur ganz kurz heim, und ihre Mutter legte ihr dann Thunfischsandwiches oder gebratene Schweinerippchen auf den Teller, während Rhonda in ihrem weißen Nachthemd dasaß und ein bisschen von dem erzählte, was am Tage passiert war, zum Beispiel, dass Peter jetzt diese grässliche Greta Clark mitmachen ließ. Aber ewig konnte sie ihrem Vater schließlich nicht aus dem Weg gehen.

«Ich finde, wir sollten miteinander reden», sagte er einmal abends nach dem Essen zu ihr, als ihre Mutter den Tisch abgeräumt hatte und Wasser für den Abwasch ins Spülbecken laufen ließ. Rhonda nickte. «Komm in mein Büro. Du hast ja noch nicht einmal gesehen, wo ich dein Bild aufgehängt habe.»

Und so folgte Rhonda ihm widerstrebend in sein Arbeitszimmer und sah, dass ihr Bild in einem neuen Glasrahmen neben dem Schreibtisch ihres Vaters an der Wand hing.

«Was für schöne Zeichnungen», sagte er. «Ich schaue sie mir immer wieder an. Du hast alle Details genau richtig festgehalten, bis hin zu den Knöpfen an den Uniformen.»

Rhonda nickte.

«Es ist das beste Geburtstagsgeschenk, das ich je bekommen habe.»

Wieder nickte sie.

«Ronnie, das, was du da gesehen hast …»

«Das spielt keine Rolle», erklärte Rhonda, den Blick auf ihre Turnschuhe geheftet.

«Doch, natürlich spielt das eine Rolle. Und du hast eine Erklärung verdient. Ich habe einen Fehler gemacht. Und du hast mich dabei ertappt. Aber ich werde diesen Fehler nicht wiederholen. Verstehst du?»

«Nicht so richtig», nuschelte Rhonda.

«Was verstehst du denn nicht?»

«Wie du mit zwei Frauen gleichzeitig verheiratet sein kannst», sagte Rhonda.

«Das bin ich nicht. Ich bin mit deiner Mutter verheiratet. Und so wird es auch bleiben.»

«Aber du warst mit Aggie verheiratet.»

Clem griff in seine Hemdtasche und holte eine Zigarette heraus. «Ja», antwortete er. «Ich war einmal mit Aggie verheiratet. Vor langer Zeit. Bevor ich deine Mutter kennengelernt habe.»

«Weiß Mom das?»

«Natürlich.»

«Warum hast du mir das nie erzählt?»

«Ich wollte warten, bis du alt genug bist, es zu verstehen. Und das bist du jetzt.»

Aber Rhonda verstand es nicht. Sie verstand nicht, dass man erst den einen Menschen und dann einen anderen heiraten konnte. Wenn man einmal verheiratet war, sollte das doch für immer gelten. Falls sie Peter heiratete, würde sie dafür sorgen, dass sie auch verheiratet blieben. Aber jetzt wusste sie nicht mehr recht, ob sie Peter überhaupt heiraten konnte, denn ihr dämmerte, dass zwischen ihnen beiden vielleicht eine verwandtschaftliche Beziehung bestand, weil seine Mutter und ihr Vater einmal miteinander verheiratet gewesen waren. In ihrem Kopf wirbelte alles durcheinander. Sie musste aus dem Arbeitszimmer raus, um nachzudenken.

«Ich komme zu spät zur Probe», erklärte sie ihrem Vater.

«Ich wusste nicht, dass ihr auch abends noch probt», sagte dieser erstaunt.

«Peter sagt, die Eröffnungsszene stimmt noch nicht, und deshalb müssen wir noch einmal daran arbeiten», erklärte sie.

Jetzt war ihr Vater derjenige, der nur wortlos nicken konnte, und sie ließ ihn in seinem Arbeitszimmer auf dem Drehstuhl zurück, von wo er in die Augen der Männer auf dem U-Boot schaute, mit dem sie untergehen würden, ob sie es nun wussten oder nicht.



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