Die Huren des Apothekers by Stöckler Tatjana

Die Huren des Apothekers by Stöckler Tatjana

Autor:Stöckler, Tatjana [Stöckler, Tatjana]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Historischer Roman
Herausgeber: Burgenwelt Verlag
veröffentlicht: 2013-12-20T23:00:00+00:00


Kapitel 5 – Das Rezept des Hexers

Das Klappen einer Tür riss Elße aus ihrem Jammer. Schritte näherten sich. Niemand sonst als nur Frau Mechthild ging zu dieser Zeit noch durch das Haus. Elße fuhr hoch, ihr hin- und herhuschender Blick suchte nach einem Ausweg. Nur Sternenlicht erhellte den Gang vor ihr, zu wenig, um Einzelheiten zu erkennen. Schwerfällig zog sie sich am Türrahmen empor, drückte sich gegen das harte Holz und überlegte fieberhaft. Wenn sie jetzt zum Schlafsaal lief, rannte sie Mechthild genau in die Arme. Das mindeste, was sie an Bestrafung für ihr Herumschleichen erwartete, war Prügel. Am nächsten Morgen würden sie die Knechte im Hof auf einen Tisch oder eine Leiter binden und auspeitschen oder sie mit dem Knüppel grün und blau schlagen. Nur noch wenige Tage bis zur Geburt, da mochte eine solche Belastung dazu führen, dass sie verwarf und das Kind tot aus ihr herausfiel. Verzweifelt umhüllte sie mit beiden Händen ihren Leib, wusste aber genau, dass sie das hilflose Wesen in ihr so nicht schützen konnte.

Voll Panik rannte sie weg von der Tür, ins Haus hinein. Nur ihrem Glück hatte sie es zu verdanken, dass Frau Mechthild erneut die Küchentür kontrollierte, lautstark an der Klinke rüttelte und sich vergewisserte, dass Gertrude auch pflichtgemäß verriegelt hatte. Beinahe wäre auch Elße in die Küche hineingelaufen, doch dann huschte sie in die andere Richtung und fand sich in der Diele wieder. Der muffige Teppich, der sie vor zwei Tagen schon verborgen hatte, diente ihr auch dieses Mal als Versteck. Auf laut klackenden Ledersohlen patrouillierte Mechthild dicht an ihr vorbei.

Mit fest zugekniffenen Augen und lautlos den Rosenkranz betend drückte Elße sich an die Wand, während sie Mechthilds Gang durch das Haus mit ihrem Gehör verfolgte: ein Rappeln an der Eingangstür, energische Schritte auf der Treppe, an den Schlafsälen vorbei, hallend durch den langen Gang und endlich das Klappern der Schlüssel in der Tür zum Anbau. Noch einmal ruckte das Schloss, Mechthild verriegelte es hinter sich. Und dann hörte Elße nichts mehr aus dem Haus. Alles, was im Anbau geschah, verschluckten die dicken Bohlen dieser Tür.

Noch immer wagte Elße nicht, sich zu rühren, und noch immer pochte ihr Herz bis zum Hals. Nur allmählich öffneten sich ihre verkrampften Hände, die Muskeln verloren ihre hölzerne Steifheit. Sie schickte ein Stoßgebet an die Heilige Margareta, die Schutzpatronin der Schwangeren und Gebärenden, und fühlte ihre Knie so zittern, dass sie dazu am liebsten niedergesunken wäre. Nein, auf gar keinen Fall. So dankbar sie der Nothelferin auch war, sie durfte sich nicht mehr länger hier aufhalten. Ihre Verehrung sollte sich nicht in einem Gebet ausdrücken, sondern darin, dass sie Hilfe für Jonata besorgte, die vielleicht gerade jetzt genauso litt wie die Märtyrerin.

Ihre Schritte trugen sie zu der Eingangstür, vor der gerade eben noch Mechthild gestanden hatte. Mit fliegenden Fingern nestelte sie an den Riegeln, die massiv aus Eisen geschmiedet die dicken Balken der Tür verstärkten und unangreifbar verschlossen. Nur leises Klacken begleitete Elßes Bemühungen, die Riegel glitten ohne Widerstand zurück.

Erst als Elße auf der Eingangstreppe stand, wurde ihr bewusst, was sie eigentlich tat.



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