Die Hure Babylon by Ulf Schiewe

Die Hure Babylon by Ulf Schiewe

Autor:Ulf Schiewe
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-426-41575-7
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2012-08-31T04:00:00+00:00


Wildschafe

Arnaut lag mit offenen Augen in seinem Zelt.

Der Mond erhellte ein wenig von der Plane über seinem Kopf, so dass es im Innern nicht völlig dunkel war. Im Lager war es still geworden, wenn auch noch fernes Gemurmel von den Wachfeuern zu hören war, das gelegentliche Knacken von frischen Ästen, die nachgelegt wurden, oder ein sanftes Schnauben der Pferde, die nahebei dösten oder etwas Wintergras rupften.

Wie so oft dieser Tage konnte er keinen Schlaf finden. Der Krieg war zu etwas geworden, das er so nicht erwartet hatte. Konnte er sich derartig getäuscht haben? Hatte Großvater Jaufré ihm in seinen Geschichten etwas Falsches vorgegaukelt, oder hatte er sich schon als Junge selbst belogen, nur das Heldenhafte, das Männerabenteuer sehen wollen? Er versuchte, die eigenen Gedanken und Erwartungen zu ergründen, die er vor seinem Aufbruch gehabt hatte.

Als miles christi in den Kampf zu ziehen, als Krieger des Herrn für etwas Höheres zu streiten, als sich mit benachbarten Kastellanen in sinnlosen Scharmützeln herumzuschlagen, das hatte etwas Erhabenes für ihn bedeutet, etwas Sinngebendes. Sich hervorzutun unter Männern gleicher Gesinnung, das war ehrenvoll. Und ja, das Abenteuer, auch das hatte ihn gelockt, wenn er ehrlich war.

Die Hoffnung, die eigenen Verfehlungen zu büßen, sich vor seinem Gott von der Sünde des Ehebruchs zu reinigen, war zuerst wie eine Erlösung erschienen, doch inzwischen mehr und mehr in den Hintergrund getreten. Vielleicht weil ihm dämmerte, dass sie alle auf diesem Pilgerzug in einem gewaltigen Widerspruch gefangen waren. Sie zogen durch fremdes Land, raubten und mordeten, brachen täglich Gottes Gebot, und all dies, um sich angeblich das Himmelreich zu sichern. Die Priester sahen darin nichts Unvereinbares. Im Gegenteil. Man tat schließlich Gottes Werk. Möglicherweise war er einfach zu einfältig, das zu verstehen.

Schlimmer noch als solche Zweifel waren Tod und Schrecken und all das Leiden, das er in den letzten Wochen gesehen hatte. Daran war nichts Heldenhaftes. Es war nur Elend. Aber am Ende diente auch das einem guten Zweck, wenn es darum ging, ihren Brüdern in Outremer zu Hilfe zu eilen und Edessa den Christen wiederzugeben. Doch wenn es so weiterging wie bisher, würden sie es nicht einmal bis dorthin schaffen.

Der Feldzug, mit so viel Begeisterung begonnen, war schlecht geplant und noch schlechter geführt. Von den Griechen hatten sie sich an der Nase herumführen lassen, die Seldschuken schlugen zu, wie es ihnen gefiel, und ihre eigenen stolzen Anführer stritten sich, machten grobe Fehler, für die viel zu viele ihr Leben gelassen hatten. Mitten im Winter irrten sie ohne Futter oder Nahrung durch eine öde Landschaft. Es gab nicht einmal mehr genug Zelte für alle. Die lagen in der Schlucht am Kadmus mit anderen Dingen, die sie jetzt gut hätten gebrauchen können. Sollten sie nicht bald die Küste erreichen, so war die militia verloren.

Wie lebt ein König damit, fragte er sich, den Tod von Tausenden zu verantworten? Wie kann er noch schlafen? Arnaut jedenfalls kämpfte jede Nacht darum, ein wenig Schlaf zu finden, denn der Tod zu vieler Kameraden, für die er verantwortlich war, lastete auf seiner Seele. Jaufré hatte einmal gesagt, in der Schlacht selbst gehe es nicht um hehre Ziele.



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