Die Hochzeitsbriefe by Wright Jason F

Die Hochzeitsbriefe by Wright Jason F

Autor:Wright, Jason F.
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-11-07T05:00:00+00:00


Kapitel 24

Eine Zeit lang herrschte vollkommene Stille.

Rachel lehnte sich gegen die Couch und barg einen Moment lang ihr Gesicht in den Händen. »Du hast mich angelogen.«

Stephanie dachte kurz über eine Antwort nach, doch es gab nur eine. »Ja.«

Rachel holte tief Luft und richtete sich auf. Sie rieb sich ungläubig die Augen. »Seit wann?«

»Schon lange.«

»Wie lange? Und wie lange weißt du es schon?«

Stephanie umfasste die Hände ihrer Tochter und drückte sie fest. »Sehr lange. Seit Jahren, mein Schatz.«

Rachel schüttelte sie ab und stand auf. »Seit wann genau?«

Stephanie blieb sitzen und betrachtete angestrengt den zusammengeknüllten Waschlappen auf ihrem Schoß. »Seit deinem siebten Lebensjahr.«

Unwillkürlich ballte Rachel die Fäuste und biss die Zähne zusammen. »Sieben? Du weißt es, seit ich sieben war?«

Stephanie nickte, vermochte sie aber nicht anzusehen.

Rachel begann mit einem Anhänger ihrer Kette zu spielen. »Als ich sieben war, sind wir fortgegangen.«

»Ich weiß.«

Rachel setzte sich wieder. »Und die Karten, Mutter? Die Postkarten? Ich hab Dutzende von ihm.«

»Von Daniel.«

Rachels Herz fing an zu rasen. »Nein.« Sie wiederholte es mit mehr Nachdruck: »Nein!«

»Daniel … Er wollte, dass du es glaubst.«

»Daniel? Warum? Seit wann ist es ihm wichtig, was ich glaube?«

Stephanie sprach die Worte aus, die ihr seit fast zwanzig Jahren im Kopf herumgingen. »Du solltest deinen Glauben nicht verlieren.« Sie holte hastig Luft und rang um Fassung. »Er wollte, dass du es glaubst, damit du glücklich bist.«

»Glauben? Was denn glauben? Eine Lüge? Warum hast du es mir nicht einfach gesagt, Mutter? Hast du nie daran gedacht, dass du es eines Tages sagen müsstest? Hast du nicht gefürchtet, dass ich eines Tages den Wunsch äußern würde, ihn wiederzusehen?«

Stephanie wandte den Blick ab. »Nein.«

»Warum habt ihr mich angelogen?«

Stephanie hatte sich die Tränen nicht abgewischt. Jetzt schmeckte sie die Mischung aus Mascara und Make-up auf ihren Lippen. »Daniel und ich wollten, dass du deinen Glauben an ihn behältst.«

»Wieso? Ich wusste, wie er war. Ich hab den ewigen Streit miterlebt, Mutter, die Wutausbrüche.«

Stephanies Ton wurde entschiedener. »Du hast nicht alles mitbekommen.«

Wieder stand Rachel auf, und abermals blieb Stephanie sitzen.

»Die Karten waren also von Daniel. Mein Stiefvater schickte Postkarten, um – was? Etwas wieder gutzumachen? Damit ich glaube, mein echter Vater würde sich ändern und ein besserer Mensch werden? Du und dein dummer Spruch. Wir haben ihn immer wieder aufgesagt. Er ist anders als wir, wir sind anders als er.« Geringschätzung schlich sich in ihre Stimme. »Uns geht’s besser, ihm geht’s besser … Waren das nur leere Worte, Mutter?«

Rachel wartete eine Antwort gar nicht erst ab. Sie verließ das Zimmer und ging ins Bad im Hauptflur.

Stephanie fing wieder an zu weinen.

Als Rachel ins Wohnzimmer zurückkam, hatte sie die Haare zu einem Zopf zusammengebunden und ihr Gesicht gewaschen. Es war stark gerötet. Jetzt setzte sie sich neben ihre Mutter, straffte ihren Rücken und fragte: »Wie ist er gestorben?«

Stephanie kämpfte gegen den Drang an, aufzustehen und um ein weiteres Glas Wasser zu bitten, den Drang, aus dem Haus zu flüchten und einfach in die Dunkelheit zu rennen. Ihre Beinmuskeln zuckten, und ihre Hände umklammerten den Waschlappen.

»Dein Vater war kein guter Mensch, Rachel.«

»Wie ist er gestorben, Mutter?«

»Er hat mich geschlagen.



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