Die Hitzkammer by Wolf Serno

Die Hitzkammer by Wolf Serno

Autor:Wolf Serno [Serno, Wolf]
Die sprache: de
Format: mobi
ISBN: 9783426195949
Herausgeber: Weltbild
veröffentlicht: 2004-01-14T23:00:00+00:00


ZWÖLFTER

BEHANDLUNGSTAG

Lapidius kam die Treppe aus dem Oberstock herab. Er hatte nach Freyja gesehen, die an diesem Morgen wieder von starken Gelenkschmerzen geplagt wurde. Auch die qualvollen Koliken waren erneut über sie hergefallen. Und zu allem Unglück hatte sie weiteres Haar verloren. Ganze Büschel waren in Lapidius’ Fingern hängen geblieben, als er ihren Kopf angehoben hatte, um ihr den Weidenrindentrank einzuflößen. Er hoffte, die Arznei würde bald Wirkung zeigen. Wenn nicht, musste das braune Fläschchen mit dem Laudanum nochmals herhalten. Allerdings: Es barg nur noch wenig von dem helfenden Saft.

»Marthe! Marthe?« Er trat in die Küche. »Da bist du ja. Wie geht es deiner Mutter? Hat ihr das gebratene Brüstchen gestern gemundet?«

Die Magd war an diesem Tag wieder sehr verschlossen. Sie stand vor einem Bottich mit Wasser und spülte irdenes Geschirr. Endlich bequemte sie sich zu einem »Ja, Herr«.

Lapidius überging das unziemliche Benehmen. »Und was macht das Zipperlein? Plagt es die Mutter noch?«

»Ja, Herr, schlimm isses.«

»Dann solltest du nach ihr sehen. Gleich jetzt. Ich brauche dich heute Vormittag nicht.«

»Ja … aber, aber, ich hab noch nix gekocht.«

»Geh nur.« Lapidius schob die Magd mit sanfter Gewalt aus der Tür.

Wenig später war Marthe fort, und Lapidius hatte den Frauenschädel wieder hervorgeholt. Sein Zustand hatte sich nicht verschönert. Und sein Geruch auch nicht. Doch es half nichts, er musste die Untersuchung zu Ende führen. Schließlich konnte er den Kopf nicht für alle Zeiten in der Vorratsgrube verwahren. Am besten, er würde ihn noch heute zu Krott bringen, in einem abgeschlossenen Kasten. Der Totengräber würde ein paar Kreuzer bekommen und den Kopf beerdigen. Ohne viel zu fragen.

Voller Ekel betrachtete Lapidius den Halsstumpf mit seinem Wirrwarr aus Knochen, Fleisch und getrocknetem Blut. Die Hautränder zeigten, dass der Schädel nicht abgeschlagen, sondern abgeschnitten worden war – wie bei Gunda Löbesam. Nun, das hatte er vermutet. Interessant würde sein, wie der Halswirbel durchtrennt worden war. Lapidius nahm den Knochen in Augenschein und entdeckte Sägespuren. Sägespuren wie bei den Ziegenböcken. Die Filii Satani ließen grüßen!

Grimmig untersuchte er den Kopf weiter, doch es fiel ihm nichts Nennenswertes mehr auf. Nur ein paar weiße punktartige Flecken im Fleisch des Stumpfs. Es waren Eipakete von Schmeißfliegen. Die Insekten mussten die Eier abgelegt haben, als der Kopf über seiner Tür gehangen hatte.

Lapidius’ Sinne waren jetzt geschärft, und er entdeckte weitere winzige Eipakete. Sie versteckten sich in den inneren Augenwinkeln und in den Buchstaben auf der Stirn. Da er nicht wusste, ob die Maden noch schlüpfen würden, nahm er eine Pinzette und entfernte zur Sicherheit die Eier. Dann betrachtete er den Kopf noch einmal von allen Seiten. Mitleid und Wehmut bemächtigten sich seiner. Diese Frau hatte einmal gelacht, geliebt, gelebt wie j ede andere auch, und j etzt war sie tot, ihr Antlitz leer, ihre Gesichtszüge entstellt. Unmenschlich sah sie aus mit den Löchern in ihrer Stirn.

Er überlegte, ob er die Hörner wieder einsetzen sollte, doch er unterließ es. Sie waren ein Fremdkörper und hatten in dem Antlitz nichts zu suchen. Wieder musterte er den Kopf, der ihm mittlerweile sehr vertraut war. »Ich werde



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