Die Gülen-Bewegung by Ercan Karakoyun

Die Gülen-Bewegung by Ercan Karakoyun

Autor:Ercan Karakoyun [Karakoyun, Ercan]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau
veröffentlicht: 2016-12-18T23:00:00+00:00


Staat versus Religion, Erdoğan versus Gülen

Der Sufi-Islam steht in schärfstem Widerspruch zur islamistischen Parole der Einheit von Staat und Religion. Nach Auffassung der Sufis kann nur der einzelne Gläubige Gottes Gebote befolgen, ein Staat kann nicht religiös sein. Deswegen müssen Staat und Religion getrennt sein. Das Prinzip des Islam ist dem Wesen nach das Individuum betonend. Religiöser Gehorsam ist nicht staatlich sanktionierbar, ohne den Sinn der Religion zu untergraben.

Dies ist auch der wesentliche Unterschied zwischen Fethullah Gülen und Recep Tayyip Erdoğan. Verkürzt behaupten leider viele Medien, beiden ginge es um eine Islamisierung der Türkei. Richtig ist: Erdoğan stand im Wahlkampf mit Koran auf der Bühne. Seine Sprache ist nicht nur nationalistisch, sondern oftmals auch von religiösen Phrasen durchsetzt. Er spricht dem politischen Gegner den Glauben ab und erklärt Ungläubige zu politischen Gegnern und politische Gegner zu Ungläubigen. Einmal sagte Erdoğan, dass er sich sogar als Priester verkleiden würde, wenn es seiner Sache dienen würde. Erdoğan strebt einen autoritären Präsidialstaat an: »Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind«, hat er 1998 einmal in einem Interview gesagt, als er noch Bürgermeister von Istanbul war. In seiner Traum-Türkei hat der Präsident das alleinige Sagen und der Islam ist als Staatsreligion verankert, natürlich eben jener Islam, den Erdoğan bevorzugt – nicht der moderne, zivile Sufi-Islam, sondern ein konservativer, strenger, autoritärer Staats-Islam.

Fethullah Gülen dagegen tritt sehr deutlich für Demokratie, Vielfalt und Individualität ein – und damit auch für Religionsfreiheit. Gülen ist fromm, aber nicht autoritär. In seinen jungen Jahren war er patriotisch und liebte die türkische Kultur, mit zunehmendem Alter und in den vielen Jahren in den USA hat er einen internationalen Blick auf die Welt entwickelt. Ebenso hat er sein früher patriarchalisch geprägtes Frauenbild durch ein modernes Verständnis von der Gleichstellung von Mann und Frau ersetzt. Am meisten unterscheidet ihn von Erdoğan aber der strikte Anspruch, Staat und Religion zu trennen – und zwar nicht nur als Möglichkeit, sondern als notwendige Bedingung. Sonst verkommt die Religion zu einer bloßen politischen Ideologie und wird als Propagandamittel von der Politik instrumentalisiert – wie das im Moment der sogenannte Islamische Staat demonstriert. Glauben kann man nicht erzwingen. Glauben braucht Freiheit. Staats-Islam ist ein Widerspruch in sich.

Was alle Menschen in der Hizmet-Bewegung verbindet, ist die Vorstellung vom Islam als einer Religion, die die Menschenrechte und die individuellen Werte schützt. Dafür sind Bildung und Dialog die Schlüssel.

Bildung hilft Menschen, differenziert und bewusst zu handeln. Und es braucht Dialog, damit Menschen sich begegnen und Vorurteile abbauen. Genau dafür wollen wir als Muslime Verantwortung übernehmen.

Es gibt ihn nicht, den einen Islam. Sunniten denken in manchen Punkten anders als Schiiten; schriftgläubige Muslime handeln anders als liberale; manche Muslime leben streng puritanisch, andere sind lebensfroh; viele suchen einen spirituellen Weg zu Gott, manche intensiv, manche nur ab und zu; einige sehen in der Politik eine zentrale Aufgabe ihres Glaubens, andere lehnen Politik im Namen des Islams strikt ab.

Man stelle sich einen Raum mit hundert Muslimen vor, repräsentativ zusammengestellt. Dann gibt es darin eine große Zahl Gläubige,



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