Die Grenze by Tad Williams

Die Grenze by Tad Williams

Autor:Tad Williams
Die sprache: de
Format: mobi
ISBN: 360893717X
veröffentlicht: 2011-05-23T16:31:29+00:00


Matty Kettelsmit erwachte in seinem kleinen Zimmer unterm Dach des Gasthauses Zum Wilden Sauschwanz, mit einem Kopf, der sich anfühlte, als schwappte er von dreckigem Bilgenwasser. Obwohl er schon zwei Jahre hier über der Schenke wohnte (und daher doch die Dimensionen des Raums hätte kennen müssen), schaffte er es, sich im Aufstehen den Kopf an einem Balken zu stoßen — leicht, nur leicht, stellte er fest und dankte Zosim, dem Gott der Betrunkenen und der Dichter (eine praktische Kombination, da sich beides so oft in einer Person vereinte). Stöhnend fiel er wieder aufs Bett.

»Brigid!« brüllte er. »Verdammtes Weib, komm herl Mein Schädel ist gebrochen!«

Aber sie war natürlich weg. Sein einziger Trost war, daß sie heute abend wieder zurück sein mußte, weil sie ja unten in der Schankstube arbeitete, und er ihr dann vorhalten konnte, daß sie ihn so kaltherzig verlassen hatte. Vielleicht würde ja ein Streit daraus folgen oder aber eine überschwengliche Mitleidsbekundung. Beides war in Ordnung. Dichter brauchten nun mal starke Reize, emotionale Wallungen.

Es wurde immer klarer, daß ihm niemand irgend etwas bringen würde. Kettelsmit setzte sich auf, rieb sich den Kopf und gab kleine, selbstmitleidige Laute von sich. Er entleerte seine Blase in den Nachttopf und wankte dann ans Fenster. Wenn es früher oder später am Tag gewesen wäre, hätte er den Pißpott als unnötiges Zwischenstadium übersprungen, aber die Spenglergasse wimmelte von Menschen. Es war eher Vorsicht als Rücksicht, die ihn veranlaßte, den Pottinhalt sorgsam auf ein freies Plätzchen zu kippen: Letzen Monat erst hatte sich ein bulliger Seemann dagegen verwahrt, aus einem hochgelegenen Fenster bepißt zu werden, und Kettelsmit war gerade noch mit dem Leben davongekommen.

Er mühte sich die scheinbar endlosen Stufen zur Gaststube hinunter. Die Bank, wo ihn Finn Teodorus und Kennit mit ihren gnadenlosen Saufspielchen bis nach Mitternacht wachgehalten hatten, war jetzt leer, obwohl auf einem halben Dutzend anderer Bänke stumme Männer saßen, Arbeiter aus der Blechschlägergasse, die sich einen frühen Mittagstrunk gönnten. Matty Kettelsmit konnte nicht verstehen, wie der Gelehrte-und-Poet und der Stückeschreiber, die doch beide zwanzig Jahre älter waren als er, so viel Alkohol verkraften konnten, was ihn natürlich zum Mithalten zwang, Ehrensache, und ihm dann einen Kopf bescherte, der sich anfühlte wie ein zerbrochener Tontopf in einem Sack. Es war wirklich schrecklich, wie sie sich benahmen, und noch schrecklicher, daß sie einen jungen Mann wie Kettelsmit mit ihren schlechten Gewohnheiten ansteckten.

Von Conry, dem Wirt, war nichts zu sehen. Der Bierjunge Gil — nur nominell ein Junge, denn vom Aussehen her wirkte er mindestens zehn Jahre älter als Kettelsmit — saß auf einem Hocker hinterm Schanktisch und bewachte die Fässer. Er guckte seltsam abwesend, aber Gil war sowieso nicht der Hellste. Er war schon im Sauschwanz gewesen, als Kettelsmit hierher gekommen war, und in der ganzen Zeit hatte er nie etwas auch nur entfernt Interessantes von sich gegeben.

»Bier«, orderte der Poet. »Ich brauche schnellstens ein Bier. Mein Magen ist wie die sturmgepeitschte See — nur die Sonne, die im Brauhopfen eingefangen ist, vermag diese Sturmgewalt zu besänftigen.« Mit einem sauren Aufstoßen beugte er sich über den Schanktisch.



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