Die Grausamkeit der Raben (German Edition) by Rendell Ruth

Die Grausamkeit der Raben (German Edition) by Rendell Ruth

Autor:Rendell, Ruth [Rendell, Ruth]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783644527911
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2014-05-01T22:00:00+00:00


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12

M

it undurchdringlichem Gesicht las Jenny Burden das Manifest von ARRIA. Sie war jetzt über das Stadium hinaus, trotz ihrer Schwangerschaft noch hübsch aussehen zu wollen. Ihr Zustand ließ sich nicht länger verbergen, und er bekam Jenny nicht. Obwohl sie immer viel jünger ausgesehen hatte, schien sie jetzt zu alt, um noch ein Baby zu bekommen. Ihr Gesicht war zwar nicht faltig geworden, hatte jedoch seine Festigkeit verloren. Die Augen waren tief eingesunken, das Kinn war schlaff. Da sie jetzt nichts mehr auf den Schoß legen konnte, hielt sie die dünnen Blätter des Manifests gegen ein Buch, das sie aufgeschlagen auf dem Tisch aufstützte.

Wexford sah Burdens zufriedenem Gesicht an, dass er sich freute, weil seine Frau sich wenigstens ein bisschen bemühte, die Apathie abzuschütteln, die nach jedem Besuch beim Psychotherapeuten immer schlimmer zu werden schien. Sie revoltierte nicht mehr, ihr Hass auf das Kind war nicht mehr so heftig, sie hatte resigniert. Sie wartete in hoffnungsloser Passivität. Als Wexford gekommen war, hatte sie ihm die Hand gegeben, das Gesicht gehoben, sich die Wange küssen lassen und sich mit tonloser Stimme nach Dora und den Mädchen erkundigt. Und er hatte gedacht: Vielleicht dreht sie nach der Geburt des Babys ganz durch, flieht in eine schizophrene Welt und muss für den Rest ihres Lebens in eine Heilanstalt. Sie wäre nicht die Erste, der so etwas passiert.

Jetzt aber las sie die ARRIA-Satzungen, und zwar sorgfältig Wort für Wort. Wexford wollte in ihrer Anwesenheit nicht über den Fall Williams reden, und das wusste Burden. Plötzlich fing Jenny an, laut zu lesen.

«Regel sechs. ‹Von gewissen seltenen Ausnahmen abgesehen, soll keine Frau finanziell von einem Mann abhängig sein.› – Dann werden die Ausnahmen angeführt. Regel sieben. ‹Alle Frauen sollen sich in einer Kampfsportart ausbilden lassen oder einen Kurs in Selbstverteidigung absolvieren.› Regel acht. ‹Alle Frauen sollen eine erlaubte Waffe zur Selbstverteidigung mitführen, z.B. Ammoniak-Spray, Nadel, Taschenmesser, Pfefferstreuer etc.› Regel neun. ‹Kein Mitglied darf heiraten, sich gut bürgerlich verloben oder mit einem Mann in einem gemeinsamen Haushalt leben.› Regel zehn … Wollt ihr auch Regel zehn hören?»

«Oh, ich hab sie gelesen», sagte Wexford. «Sie ist reine Ketzerei.»

Jenny erkannte das Zitat nicht. «Sie müssen natürlich so denken, das ist klar. Vielleicht hätte ich diese Statuten lesen sollen, bevor ich dich kennenlernte, Mike.»

Burden zuckte zwar heftig zusammen, aber er steckte den Schlag ein.

«Damals gab’s ARRIA noch nicht. Ich habe erst Anfang des Jahres davon gehört, kurz bevor ich meine Arbeit aufgab. Ich wollte mir schon immer eins von diesen Manifesten beschaffen, aber sie wollten nicht einmal mit mir darüber reden. Ich war ja verheiratet.«Was für ein Glück, dass ich eins ergattert habe», gab Wexford zu. Burden gab sich große Mühe, den Schmerz zu unterdrücken, den Jenny ihm zugefügt hatte. «Ich möchte Regel zehn hören.»

«Na schön. Regel zehn. ‹Frauen, die Kinder haben wollen, sollen den künftigen Vater nach seiner körperlichen Beschaffenheit, seinem Gesundheitszustand, nach Größe etc. sorgfältig auswählen und dafür sorgen, dass die Zeugung sich bei einer Vergewaltigung oder unter Bedingungen vollzieht, die einer Vergewaltigung nahekommen.›»

«Unter was für Bedingungen? Was,



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