Die Godin by Robert Hueltner
Autor:Robert Hueltner
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2012-01-20T23:00:00+00:00
Kajetan verließ die Trambahn und bog in die Winterstraße ein. Das Haus in Untergiesing, in dem Emil Teobalt wohnte, war noch nicht alt, machte aber dennoch einen bereits verkommenen Eindruck. Das Schloß des Hoftors war ausgebrochen. Kajetan schob es auf, überquerte den Hinterhof und betrat das Rückgebäude. Er klopfte an eine Tür des Erdgeschosses. Niemand forderte ihn auf einzutreten. Er drückte die Klinke; die Tür war offen. Als Kajetan die kleine Kammer betrat, erschrak er. »Emil…«, flüsterte er.
Emil Teobalts Augen waren geschlossen, sein unrasiertes, kreidiges Gesicht war eingefallen. Die Brust des Kranken hob sich nur unmerklich auf der Bettstatt. Kajetan rief erneut Emils Namen und rüttelte vorsichtig an dessen Schulter.
Der Kranke öffnete die Augen. Nach einer Weile bewegte er die Lippen.
»Du…?«
Kajetan fluchte besorgt. »Emil, was hast denn?«
Teobalt versuchte ein Lächeln. Seine Stimme war ohne Kraft. »Was wohl… es hat mich… ein bisserl… erwischt…«
»So kommts mir auch vor! Was ist denn geschehen! Wo fehlts dir überhaupt?«
»Nichts ist… geschehen… Auf einmal… ists nimmer gegangen.«
»Wie lang liegst du denn schon da?«
Emil antwortete nicht. Kajetan sah fassungslos um sich. Auf dem Tisch stand ein verschmutzter Teller, daneben ein Löffel, auf dem sich bereits Schimmel gebildet hatte. Der Raum stank nach Moder, erkaltetem Schweiß und Fäkalien.
»Wann hast du denn das letzte Mal was gegessen?«
Emils Augen hatten sich wieder geschlossen.
»Sag! Du brauchst doch was zum Essen! Was Warmes!«
»Mich… hungerts ned, Paul.«
»Red keinen Krampf, Emil. Ich geh auf der Stell rüber in die Wirtschaft und hol dir eine Schale Suppe.« Emil gab keine Antwort.
Wenig später saß Kajetan wieder am Bett des Kranken. Er hatte ihn etwas aufgerichtet und flößte ihm eine warme Suppe ein. Emils Lippen zitterten. Nach einer Weile schien er wieder etwas zu Kräften gekommen zu sein.
»Jetzt sag, was dir fehlt, Emil! Was ist passiert?«
Stockend erzählte Emil, daß er, nachdem er keine Arbeit mehr gefunden hatte, zur Fürsorge gegangen sei. Dort hätte man ihn angehört, ihn nach seinem Beruf gefragt, ihm aber eine Unterstützung verweigert, wenn er nicht bereit sei, die angebotene Arbeit anzunehmen.
»Es war… eine Arbeit im Schlachthof drunten. Da würden Leut gebraucht…«
Kajetan verstand. »Nicht grad das, für was du Latein gelernt hast.«
Ein mageres Grinsen glomm in Emils alt gewordenen Zügen. »Nein, nicht grad. In die… Darmputzerei…«
»In die Darmputzerei? Du?« rief Kajetan ungläubig.
Emil bestätigte mit unmerklichem Nicken.
»Muß ja auch gemacht werden… und es gibt dreckigere Sachen…«
»Trotzdem! Du im Schlachthof!«
»Weißt, was das… Schlimmste… war?« Emil schien zu würgen. »Da stehst da… und drückst den Dreck aus den… Därmen… und wenn einer ausgedrückt ist… dann legens dir… neue hin… und die sind wieder voller Scheißdreck… und dir kommts vor, als tätens… ärger stinken als zuvor… und wieder drückst…« Emil brach erschöpft ab und holte mühsam Atem. »Und dann ist mir auf einmal gekommen… Paule… wie ich noch geschrieben hab… und geredt hab… gegen die Kriegstreiber… Bagage… gegen den, gegen den ganzen braunen…«
»Scheißdreck!« ergänzte Kajetan. Emil nickte schwach.
»… Da, Paule, da wars… nicht anders. Es wird immer wieder … und immer wieder so ein Dreck… daherkommen… und hört nie auf…«
»Schmarrn«, widersprach Kajetan energisch.
»Verstehst nicht? Das… das ist
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