Die Fünf by Jabotinsky Vladimir

Die Fünf by Jabotinsky Vladimir

Autor:Jabotinsky, Vladimir [Jabotinsky, Vladimir]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Die Andere Bibliothek
veröffentlicht: 2013-12-31T23:00:00+00:00


Kapitel 18

DER POTJOMKIN-TAG

Im Jahr darauf hat sich mir vor allem ein großer und schrecklicher Tag eingeprägt, ein Tag, an den sich ganz Odessa und ganz Russland erinnern.

Den Herbst, den Winter und das Frühjahr verbrachte ich in Eisenbahnzügen, schaute aber immer wieder zu Hause vorbei und besuchte auch Anna Michailowna. Gott hatte ihr eine Atempause gewährt. Lika studierte (in Paris, wohin sie von Bern aus gegangen war), schrieb selten und kühl, aber sie war zum Glück wenigstens dort und nicht in Russland. Serjosha stand vor dem Ende des dritten Studienjahres und führte ein vielseitiges Leben, aber zumindest nicht im Blickfeld meines Kollegen Schtrok.

Marko hatte ein ganzes Jahr ohne neue gefährliche Projekte verbracht – er war in guten Händen –, wenngleich nicht gänzlich ohne Projekte. Als er in den Osterferien nach Hause kam, erlebte er eine Enttäuschung mit der Tabakfabrik Messaksudi. Er hatte gehört, diese Firma würde jedem fleißigen Kunden, der hunderttausend leere Schachteln ihrer Papirossy einschickte, (oder womöglich seiner Dame) einen Monat in Jalta bezahlen. Marko war schon im Herbst, nachdem er sich von der Atemtheorie losgesagt hatte, zum besessenen Raucher geworden, obwohl er noch immer nicht richtig inhalieren konnte. In Odessa hatte er sämtliche Bekannten mit einer Schachtel-Abgabe belegt, besonders die Getreide-Brüder Abram Moissejewitsch und Boris Mawrikijewitsch, die eine Papirossa am Stummel der vorigen anzündeten. Doch nachdem er das pudschwere Paket eigenhändig gepackt, persönlich zur Post gebracht und an das Kontor der Firma Messaksudi geschickt hatte, erhielt er die empörte Antwort, dass nichts dergleichen versprochen worden sei – wo er das denn gelesen habe? Er gestand mir damals, er habe das in Petersburg vom Kellner einer griechischen Garküche gehört. Er war sehr verlegen und niedergeschlagen und fuhr bald darauf wieder in den Norden.

Um Marussja hatte sich eine neue Generation von Passagieren geschart, ebenso fröhliche junge Leute, aber nun waren es angehende Juristen und aufstrebende Ärzte; doch mir schien, als ließe Marussja sie zwar in ihren Waggon, nicht aber in ihr privates Coupé, oder nur selten. Über Runizki sagte sie einmal zu mir, seine Mutter und seine Schwester seien auf ihr Landgut in Tschernigow gezogen, und er verbringe seine seltenen Landgänge nun dort. Doch darüber hinaus sprach sie mit mir nicht mehr über ihn und erzählte mir auch nicht, was in den hin und wieder eintreffenden Briefen mit den exotischen Marken stand.

»Gott sei Dank«, bekannte Anna Michailowna eines Tages, »im letzten Sommer, als sie hier wohnten, bin ich ganz grau geworden, sehen Sie nur.«

Ich fragte sie natürlich nicht aus, erfuhr aber aus ihren kargen Andeutungen, dass es einen Monat gegeben hatte, in dem sie jeden Moment mit einem »Erdbeben« rechnete. Marussja fuhr oft mit ihm allein mit dem Boot hinaus und kam erst kurz vor Sonnenaufgang zurück. Einmal gab es einen Sturm, Anna Michailowna blieb die ganze Nacht auf; Marussja kam am Morgen mit einer Droschke zum Sommerhaus und erklärte, sie seien bereits am Abend, als die Wellen höher wurden, an Land gegangen. Die Mutter fragte besorgt: Aber … wo wart ihr denn die ganze Zeit? Und Marussja antwortete, sie hätten



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