Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers by Sandmann Charlotte

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers by Sandmann Charlotte

Autor:Sandmann, Charlotte [Sandmann, Charlotte]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Historische Romane, Erzählungen
Herausgeber: DTV Deutscher Taschenbuch
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


2

Louise und Frederick zogen sich in den Salon zurück, wo noch die Reste ihrer Mahlzeit standen. Die junge Witwe war sprachlos über das Testament und die Dreistigkeit, mit der Hermine und ihre Kinder das Haus in Beschlag nahmen, aber bei allem Ärger empfand sie eine gewisse Erleichterung, dass wieder Menschen da waren.

Frederick schritt auf die raumhohen Fenster zu, die auf den Garten hinausgingen. Er starrte in den grauen Februarnachmittag. »Ich bin fassungslos«, sagte er kaum hörbar. »Das kann nicht sein letzter Wille sein. Er war verwirrt. Er wusste, wer ihn aufrichtig liebte. Das warst du, Louise. Und auch ich. Er hätte nicht gewollt, dass das Geld dieser Madensack mit seinem vom Äther zerfressenen Gehirn bekommt … Niemals!«, stieß er hervor und drehte sich zu Louise um. Er ging zur Vitrine mit den Spirituosen, nahm den Brandy heraus, hielt ihn hoch und nickte dabei Louise zu. Sie zuckte nur die Achseln. Er schenkte zwei Gläser ein und setzte sich zu ihr. Sie nahm ein Glas und nippte vorsichtig daran. Frederick nahm einen kräftigen Schluck. »Nein. Wir lassen uns das nicht gefallen, Louise. Das dürfen wir nicht! Raoul hätte das nicht gewollt. Er hätte es sich nie verziehen, uns allen so in den Rücken zu fallen. Wir gehen zu deinem Anwalt, heute noch.«

Eigentlich hatte Louise allein zu dem Anwalt gehen wollen, aber Frederick beharrte darauf, sie zu begleiten. Einerseits war ihr das nicht unwillkommen, denn die Eröffnung des Testaments war ein harter Schlag gewesen, und ihr schien, dass sie Beistand brauchte. Andererseits ärgerte sie sich über diese Schwäche. Amy brauchte sicher nie einen Beschützer, egal, was ihr zustieß.

Als sie in die Kanzlei gebeten wurden, entschuldigte sie sich verlegen bei dem Anwalt, dem dieser Überfall sichtlich unangenehm war. »Ich weiß, es gehört sich nicht, einfach so hereinzuschneien, aber uns ist etwas Unglaubliches widerfahren: Raoul hat uns alle enterbt!«

Jetzt merkte Dr. Taffert auf – vielleicht, weil er in diesem Fall um sein Honorar bangen musste. »Nehmen Sie Platz«, sagte er, und nachdem er seinen Sekretär angewiesen hatte, den nächsten Termin eine halbe Stunde zu verschieben, fügte er hinzu: »Nun erzählen Sie mir alles der Reihe nach.«

Louise fing an zu erzählen und ließ nichts aus. Der Anwalt hörte aufmerksam zu. Als sie ihm die Kopie des Testaments reichte, fragte er: »Sie haben das Original gesehen? Es war eindeutig die Schrift Ihres Gatten? Nun … Wenn an der Rechtsgültigkeit der Unterschrift kein Zweifel besteht, müssen wir nachweisen, dass Herr Paquin nicht mehr geschäftsfähig war, als er es abfasste. Die Tatsache, dass er an einer Vergiftung litt, ist unbestritten, und ich werde versuchen, unbeteiligte Zeugen für seine geistige Konfusion ausfindig zu machen. Sie sagten doch, dass er sich häufig auf dem Polizeirevier beklagte und man ihn dort nicht ernst nahm. Das wäre schon einmal eine Möglichkeit.« Er lehnte sich zurück, nahm den Kneifer ab und fuchtelte damit in der Luft herum. »Das sollte alles nicht zu schwierig sein. Das Problem ist, dass die Mühlen der Gesetze langsam mahlen. Bis ein Erbstreit entschieden ist, können Monate, sogar Jahre vergehen, und zuletzt ist von dem heiß umstrittenen Erbe nichts mehr da.



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