Die Drachenerde-Saga - 03 - Drachenthron by Alfred Bekker

Die Drachenerde-Saga - 03 - Drachenthron by Alfred Bekker

Autor:Alfred Bekker
Die sprache: de
Format: mobi
ISBN: 9783802581656
Herausgeber: Weltbild
veröffentlicht: 0100-12-31T23:00:00+00:00


12. DIE STUNDE DES ERICH VON BELDEN

Die riesenhaften Schatten standen eine Weile fast regungslos da und schienen in dieser Zeit sogar noch etwas anzuwachsen. Ihre Füße standen auf dem Wasser, als wäre es fester Grund.

Der Wind trug ihre klagenden Laute zum Hauptturm des Palas. Ein Chor der verdammten Seelen, den Rajin erstmals vernommen hatte, als er mit dem Weisen Liisho in den Ruinen von Qô Unterschlupf vor den Häschern des Usurpators Katagi gesucht hatte.

Aber in diesen Chor der Klage und des Jammers mischten sich diesmal mehr und mehr wütende Schreie, und dann zog ein Schatten nach dem anderen sein glühendes Schwert hervor; die Klingen leuchteten so grell, dass der direkte Blick darauf zumindest für Menschen recht unangenehm war. Einer der schattenhaften Riesen schwenkte seine glühende Waffe mit einer schnellen Bewegung durch die Luft und ließ sie dann durch einen halb im Wasser versunkenen Leuchtturm fahren. Die Klinge glitt durch den Stein, als böte dieser keinerlei Widerstand, ein Zischen erklang, und die obere Hälfte des Turms wurde abgetrennt und fiel in das dunkle, brackige Wasser, welches das Hafengebiet Nangkors bedeckte.

Das war offenbar das Zeichen zum Angriff. Die Riesenschatten stürmten wie gewichtslos über das Wasser.

Doch auch Branagorn schien endlich den richtigen Moment für gekommen zu halten, um einzugreifen. Er sprang auf, kletterte auf die Zinnen des Hauptturms und reckte die ausgestreckten Hände zum Himmel. Dabei murmelte er eine Formel vor sich hin und schloss für einen kurzen Moment die Augen, dann griff er in die Tasche aus Wolfshirschleder und entnahm ihr einen verkorkten Behälter aus blau schimmerndem Glas; eine leuchtende Substanz im Inneren gab dem Behälter seine Färbung.

Branagorn zog den Korken heraus und streute den Inhalt in die Luft. Feinste, in der Nacht blau leuchtende Teilchen schwebten wie ein wirbelnder Insektenschwarm davon. Sie drehten sich umeinander wie jene dunklen Rauchteilchen, aus denen die angreifenden Schatten verstofflicht waren, wirbelten wie blau leuchtende Glühwürmchen immer schneller dahin, bildeten dabei einen Schwarm, der dichter und dichter wurde, und formten schließlich eine Kugel aus Licht, die wie ein verkleinertes Abbild des Meermondes wirkte.

Bei ihrem Anblick wandelten sich die klagenden Laute der riesenhaften Schatten und wurden zu wütendem Gebrüll. Vielleicht erkannten sie, dass ihnen diesmal jemand entgegentrat, der ihnen schon einmal - wenn auch vor sehr langer Zeit - Einhalt geboten hatte.

Der Lichtball sprengte auseinander und zerstob in einem Dutzend blitzartig zuckender Lichterscheinungen, die jeweils bestimmte Punkte in Nangkor trafen. Es waren vor allem Türme - sowohl die Turmspitzen von Kathedralen als auch Wachttürme, die zu den Verteidigungsanlagen der Stadt gehörten - und ein Leuchtfeuerturm, der Dschunken die Einfahrt in den inneren Hafenbereich und die Kanäle ermöglicht hatte; Letztere durchzogen das Markt- und Geschäftsviertel der Stadt Nangkor mit seinen Drachenlandeplätzen und den Haltemasten für tajimäische Luftschiffe. In Friedenszeiten lagerten dort auf Dutzenden von Plätzen Waren, die mit Luftschiffen aus Tajima kamen und dann in die Lastengondeln der Transportdrachen umgeladen wurden, da innerhalb Drachenias nur sie Fracht durch die Lüfte tragen durften. Da diese Umladeplätze mehr oder minder verwaist waren, kampierten dort Flüchtlinge aus dem Umland und die wenigen, die es aus den Gebieten am Pa-Fluss inzwischen bis nach Nangkor geschafft hatten.



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