Die Donauprinzessin: Historischer Kriminalroman (German Edition) by Maly Beate

Die Donauprinzessin: Historischer Kriminalroman (German Edition) by Maly Beate

Autor:Maly, Beate [Maly, Beate]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Historischer Kriminalroman
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2014-10-09T22:00:00+00:00


s gab Fischer, die bevorzugten die frühen Morgenstunden, wenn der Nebel vom Wasser aufstieg und der Dunst des Morgentaus sich mit den ersten Sonnenstrahlen mischte. Andere angelten lieber am Abend und nutzten den ausklingenden Tag, die einsetzende Stille und das Nachglühen der Sonne, um in Ruhe auf Beute zu warten.

Martin hingegen, der in den Donauauen östlich von Wien wohnte, ging zum Wasser, wenn seine Zeit es erlaubte. Gleich nach dem Frühstück hatte seine Frau ihn gebeten, zwei Eimer zu flicken, dann hatte er das Steckenpferd seiner Tochter repariert, ein Regal im Schuppen aufgestellt und schließlich Holz für den Winter gesammelt und neben dem Haus zum Trocknen aufgeschichtet.

Jetzt, da die Sonne am höchsten stand und niemand außer ihm aufs Anbeißen der Fische hoffte, hockte er am Ufer eines Donauarms und döste vor sich hin. Er träumte vom Abendessen und wartete auf einen besonders fetten Karpfen. Wenn er in der nächsten Stunde nichts fing, würde er den Eimer, der jetzt wieder geflickt war, mit Flusskrebsen füllen. Ein »Armeleuteessen«, wie seine Frau es nannte. »Ekelhafte kleine Tiere«, wie seine Tochter meinte. Martin hingegen mochte die Krebse. Mit Butter und wildem Knoblauch schmeckten sie nach Sommer und Sonne. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen, sein Magen knurrte, er hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Zu Mittag hatte er keine Zeit gefunden und nur rasch ein Stück altes Brot in die Tasche gesteckt. Das könnte er jetzt knabbern, um das Hungergefühl loszuwerden.

Martin bückte sich. Das Brot war in seiner Umhängetasche, die am Boden lag. Da bemerkte er etwas Großes und Dunkles im Wasser. Es schwamm direkt auf ihn zu.

Es musste sich um einen gigantischen Riesenfisch handeln. Karl hatte letztes Jahr einen ähnlich großen Hecht aus dem Wasser gezogen. Seine Familie hatte eine ganze Woche lang davon gegessen. Den Rest hatten sie in Salz eingelegt und im Winter verzehrt.

Aufgeregt richtete Martin sich auf, langsam und möglichst geräuschlos, schließlich wollte er den Fisch nicht erschrecken. Er spähte aufs Wasser. Der Fisch bewegte sich nicht, trieb leblos auf der Oberfläche und wurde bloß von der trägen Strömung langsam weiterbewegt. Schade, es wäre auch zu schön gewesen. Martin hatte noch nie großes Glück beim Angeln gehabt. Ein fetter Karpfen, ein mittelgroßer Hecht, bestenfalls ein Aal. Aber ein derart riesiger lebender Fisch, für den er bewundert wurde, den hatte er noch nie an Land gezogen und würde es wohl auch heute nicht tun.

Je näher der Fisch zu ihm trieb, umso merkwürdiger erschien er ihm. Vielleicht war es gar kein Fisch. Dunkle Wolle quoll im Wasser auf. Kein Tier der Welt war in Stoff gehüllt. Plötzlich fiel es Martin wie Schuppen von den Augen. Was sich da auf ihn zubewegte, war ein Mensch. Ein toter Mensch.

Wie von zehn Bienen gleichzeitig gestochen, drehte er auf dem Absatz um und lief zurück ins Dorf. Den geflickten Eimer, die Angel und die Tasche mit dem alten Brot ließ er achtlos zurück. Erst ein Mal in seinem Leben hatte Martin eine Wasserleiche gesehen. In manchen Vollmondnächten quälten ihn die Erinnerungen an die helle aufgedunsene Haut und die starren Augen des Toten immer noch, auch Jahre nach dem grausigen Fund.



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