Die blaue Grotte by Bambaren Sergio

Die blaue Grotte by Bambaren Sergio

Autor:Bambaren, Sergio [Bambaren, Sergio]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492957465
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2015-07-14T16:00:00+00:00


Andrea

Alles, was passiert, scheint einen Sinn zu haben. Ich weiß nicht, warum, aber immer wenn ich das Gefühl habe, am richtigen Ort zu sein, wirkt der Zauber.

Ich war also durch üppige Wälder und über wellige grüne Hügel unterwegs nach Aalen und sollte eine schöne Gelegenheit bekommen, Menschen mit einem aufrichtigen Lächeln zu treffen, Menschen, die in gewisser Weise bereits Teil meines Lebens sind – und ich kann nur hoffen, dass auch ich einen kleinen Teil ihres Lebens ausmache.

Andrea hatte Peru bereist. Sie war Anfang zwanzig, blond, hatte strahlende blaue Augen und ein Lächeln so groß wie das Leben selbst.

Ich sah sie zum Signiertisch der Buchhandlung kommen, die Wolfgang ausgewählt hatte – kein großer Laden, aber ein ganz besonderer Ort, der mich glücklich machte, ohne dass dafür etwas von mir verlangt wurde.

Ich unterhielt mich mit Andrea über Peru. Sie bedankte sich für die Bücher, ich signierte ihre Exemplare. Sie sagte, meine Worte hätten ihr vor einiger Zeit geholfen, eine Stelle zu kündigen, die sie gehasst hatte, und ihren Traum zu leben. Ich dankte ihr. Bevor sie ging, gab sie mir ein kleines Päckchen, eingewickelt in weiches, weißes Papier.

»Für Sie«, sagte sie.

Ich war überrascht und ein wenig verlegen. Vorsichtig wickelte ich das Päckchen aus und entdeckte ein wunderschönes, schlichtes kleines braunes Holzkreuz an einem Lederband.

»Wie schön!«, sagte ich. »Vielen Dank. – Woher haben Sie das?«

Die Worte kamen mir unbewusst aus der Seele.

»Aus Assisi. Ich habe mir einen Traum erfüllt und ein halbes Jahr in einem Franziskanerinnenkloster gelebt, in der Casa della Pace.«

Ich kannte es. Als ich keinen Sinn mehr in meinem Leben gesehen und mich in dieses Kloster zurückgezogen hatte, habe ich mich dort wiedergefunden.

Ich lächelte. Danke, Andrea Handschuh, ganz herzlichen Dank.

Was wir »moderne« Menschen Zufälle nennen, sind in Wahrheit Wunder, die tagtäglich im Leben geschehen. Als ich traurig gewesen war, weil ich den Eremo delle Carceri in Assisi nicht sehen konnte, hätte ich mir nie vorstellen können, dass Franziskus diese Leere füllen würde – er führte mich an einen Ort, wo ich jemanden treffen sollte, der den Zauber von Assisi auch erlebt hatte. Franziskus und ich wurden zwar in unterschiedliche Zeiten hineingeboren, doch wenn ich Menschen wie Andrea traf, war er mir immer nahe.

Als die Signierstunde fast vorbei war, kam ein reizendes Mädchen zu mir, sie war vielleicht fünf oder sechs Jahre alt.

»Kannst du mir mein Buch signieren?«, fragte sie.

»Aber klar. Wie heißt du denn?«

»Clara.«

Und wieder hatte ich diesen Frieden in der Seele …

»Clara. Ein wunderschöner Name.«

»Danke«, sagte sie.

Ihre Eltern standen etwas abseits, sie lächelten mir zu, ich lächelte zurück. Ich signierte das Buch, und verabschiedete mich von Clara mit einem Küsschen. Kurz bevor ich ging, sprach ich ihre Eltern an. Sie hießen Thomas und Gabriele.

Ich fragte sie: »Sagen Sie, Thomas, ist der Vorname Ihrer Tochter nicht italienisch?«

»Doch, nach unserer Reise nach Assisi haben wir sie Clara genannt, nach der heiligen Chiara.«

»Unglaublich!«

»Wieso unglaublich?«

Ich lächelte und schwieg.



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