Die Bestien von Belfast by Sam Millar

Die Bestien von Belfast by Sam Millar

Autor:Sam Millar
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
ISBN: 9783037920350
Herausgeber: Atrium Verlag AG Zürich
veröffentlicht: 2013-04-11T22:00:00+00:00


Kapitel Zwanzig

Dienstag, 27.Februar (Morgen)

»Kurze Gebete, viele sprachen wir nicht, Und sprachen auch nicht von Sorgen; Doch mit stetem Blick in des Toten Gesicht, Dachten wir bitter an Morgen.« Charles Wolfe, The Burial of Sir John Moore at Corunna

Karl wusste aus Erfahrung, dass alle Beerdigungen ernste Angelegenheiten waren, doch diese gestaltete sich nicht nur minimalistisch, sondern auch extrem unschön: Ein gleichgültiger Priester leierte eine kurze, gleichgültige Predigt herunter, sechs Besucher standen zusammen, als zwei Pressefotografen ihre Fotos für die Abendausgabe machten. Karl bezweifelte, dass sich ein Mitglied von Chris’ Familie unter den Anwesenden befand. Vermutlich allesamt morbide Leichenfledderer, denen es nur darum ging, sich an einen Berühmt-Berüchtigten anzuhängen. Wenn man einen Menschen nach der Anzahl der Trauergäste bei seinem Begräbnis beurteilen wollte …

Die plötzliche Erkenntnis, dass Vergebung ein gemeines Aas sein kann, wenn man sie in Zahlen ausdrückt, verdüsterte Karls niedergeschlagene Stimmung nur noch mehr.

»Was für ein schreckliches Leben, du armer Kerl.«

Selbst die lange Zeitspanne – über eine Woche –, bis die Behörden den Leichnam endlich zur Beerdigung freigaben, hatte für Karl einen Beigeschmack des Kleinkarierten, das ans Rachsüchtige grenzte. Wir hatten nicht den Mumm, uns mit dir anzulegen, als du noch am Leben warst, Chris Brown, aber jetzt …

Marty Harrington, Inhaber einer Kette von Bestattungsinstituten – Heavenly Harrington’s –, deren Filialen über die ganze Stadt verstreut waren, beobachtete seine Totengräber, wie sie den Sarg von Chris Brown in die Erde hinabließen. Er schien mit ihrer Arbeit zufrieden. Wenige Minuten später erteilte er nickend seine Zustimmung, das Grab zuzuschaufeln.

Als er Karls klägliche Bemühungen bemerkte, im Hintergrund zu bleiben, kam er für Karls Geschmack ein wenig zu eifrig über den Rasen näher.

»Kommst du morgen Abend zu dem Spiel, Karl?«, fragte sein Kartenspielgegner.

»Hoffentlich. Mal abwarten, was passiert, bevor ich zusage.«

»Ich wusste nicht, dass du und Chris Brown Freunde wart. Wusste nicht einmal, dass er überhaupt welche hatte«, fuhr Harrington fort. »Vor Tagen war er noch der große Zampano, und jetzt ist er nur noch Schnee von gestern. Kaum zu glauben, dass er mehr Menschen ermordet hat, als Trauergäste zu seiner Beerdigung gekommen sind – und zwei gehören noch zu meinem Personal und sind nur wegen der Medien da. Immerhin bekomme ich ein wenig Gratiswerbung. Was meinst du?«

Vielleicht war Karl einfach nur angewidert, vielleicht deprimiert nach Chris Browns Beerdigung, jedenfalls ignorierte er den grinsenden Harrington und stapfte wütend und stumm davon. Er fühlte sich schuldig, als hätte seine Untätigkeit mit zu Chris’ Tod beigetragen, und plötzlich wurde ihm klar, dass das Leben Karl Kane heute besonders gründlich in Augenschein nehmen und ihn auf seinen Wert hin prüfen würde.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.